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Pflege

Kaum genutzt: Pflegezeit, Pflegeunterstützungsgeld oder Familienpflegezeit

Das Deutsche Zentrum für Altersfragen hat herausgefunden, dass nur 4 % der pflegenden Angehörigen Maßnahmen zur Unterstützung nutzen. Was sind die Gründe?

Aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Belastung in der Pflege ist das deutsche Gesundheitswesen intensiv von der Pflege durch Angehörige angewiesen. Ohne die tatkräftige Unterstützung von engagierten Familienmitgliedern oder Freund:innen würde das Gesundheitssystem kollabieren. Und wie das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA) im Oktober analysierte, pflegt rund ein Viertel der 43- bis 65-Jährigen in Deutschland eine oder gar mehrere Angehörige. In ihrem Deutschen Alterssurvey (DEAS), einer staatlichen geförderten Langzeitstudie, untersucht das DZA den Wandel der Lebenssituationen und Alternsverläufe älterer Menschen. Und aktuell die Frage, warum die politischen Maßnahmen, die die häusliche Pflege unterstützen, so wenig angenommen werden. 

Mehrfachbelastung durch Pflege, Arbeit und Altersicherung

Die Pflege Angehöriger ist belastend, sowohl körperlich als auch psychisch. Aber hinzu kommt, dass Care Arbeit nicht selten negative Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit und somit auch auf die Alterssicherung hat. Eine andere Studie, die von der Uniklinik Erlangen durchgeführt wurde, besagt, dass rund ein Viertel der Erwerbstätigkeiten, die privat pflegen, aufgrund dieses Aufwands ihre Arbeitszeit reduzieren. Rund 11 Prozent der Befragten gaben ihre Arbeit sogar ganz auf. Und vor allem seien es Frauen, die beim Thema Pflege beruflich am meisten zurückstecken.

Immerhin gibt es einige Maßnahmen, die helfen, die Pflegearbeit besser zu stemmen. Ein paar Beispiele:

  • Je nach Arbeitspensum und Umfang der Pflegearbeit kann die Pflegeversicherung der gepflegten Person in Deine Rente einzahlen.

  • Pflegende Angehörige sind je nach Umfang der Pflege unfallversichert.

  • Wer aufgrund der Pflege eines:einer Angehörige:n die Erwerbstätigkeit reduziert, erhält trotzdem nach wie vor Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt.

  • Und zudem kann die Pflege auch steuerliche Vorteile bieten.

Wie Pflegezeit, Pflegeunterstützungsgeld und Co. die Pflegenden entlasten sollen

Konkret vom Gesetzgeber stammen aber die folgenden Maßnahmen, die Dich bei der Pflege Angehöriger entlasten sollen:

  • Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (Pflegeunterstützungsgeld): Beschäftigte können bei einer akuten Pflegesituation eines nahen Angehörigen bis zu 10 Tage von der Arbeit freigestellt werden, um die Pflege zu organisieren. Sie erhalten in dieser Zeit ein Pflegeunterstützungsgeld von 90 % des Nettolohns, höchstens jedoch 116,38 Euro pro Tag. Dies wird „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“ oder auch Pflegeunterstützungsgeld genannt.

  • Pflegezeit: Bei der Pflegezeit handelt es sich um eine längere Auszeit, die einem Beschäftigen zusteht, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Die Freistellung darf bis zu sechs Monate gehen, mit möglicher Verlängerung. Währenddessen besteht Kündigungsschutz und Sozialversicherungsschutz, jedoch ohne Gehaltsanspruch.

  • Pflegezeit bei totkranken Menschen: Wenn ein naher Angehöriger schwer erkrankt ist und eine fortgeschrittene Palliativversorgung benötigt, besteht ein Sonderanspruch auf Pflegezeit. In diesem Fall kann der Beschäftigte bis zu drei Monate von der Arbeit freigestellt werden.

  • Familienpflegezeit: Die Familienpflegezeit ermöglicht es Ihnen, während der Pflege Angehöriger weiterhin zu arbeiten. Mit der Familienpflegezeit kannst Du Deine Arbeitszeit über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten reduzieren, wobei die Wochenarbeitszeit mindestens 15 Stunden betragen muss.

Doch das DZA hat ermittelt: Nur rund 4 Prozent jener, der privat pflegen, machen von diesen staatlichen Maßnahmen Gebrauch.

Kein Bedarf? Zu hohe Bürokratie? Unwissenheit?: Die Gründe der Nichtnutzung

Das DZA wollte der Frage nachgehen, warum Pflegezeit, Pflegeunterstützungsgeld und Pflegeunterstützungsgeld (kurzzeitige Arbeitsverhinderung) so gering in Anspruch genommen werden. Die Gründe sind laut der DEAS für 2023:

Gründe für die Nichtinanspruchnahme von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf Anteil der Befragten (repräsentativ)
Angebote nicht bekannt 21,8 %
Kein gesetzlicher Anspruch 16,4 %
Bürokratischer Aufwand zu hoch 9,7 %
Finanzielle Einbußen zu hoch 6,5 %
Berufliche Nachteile befürchtet 8,3 %
Angebote nicht nötig 61,6 %
Andere Gründe 8,5 %

Diese Ergebnisse überraschen – zumindest auf dem ersten Blick. Denn in der Tat: Nur nähere Verwandte wie Eltern, Lebenspartner:innen oder Enkel:innen haben Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Pflegende Freund:innen gehen hier leer aus. Und ja: Wer von Pflegezeit oder Familienpflegezeit Gebrauch macht, erhält lediglich ein Darlehen – das nach der Pflegezeit (immerhin zinsfrei und in Raten) zurückgezahlt werden muss. Außerdem fallen gerade kleine Betriebe durch die Maschen dieser Maßnahmen und hier müssen Arbeitnehmende und Arbeitgeber:innen nach individuellen Lösungen suchen, die für beide Seiten akzeptabel und hilfreich sind.

Kurz gesagt: Die verschiedenen staatlichen Maßnahmen sind also nicht nur positiv zu werten. Was zunächst attraktiv klingt, lohnt sich bei näherem Hinsehen ggf. nicht.

Drei von fünf benötigen die staatlichen Maßnahmen nicht

Besonders auffällig ist die Tatsache, dass 61,6 Prozent der Pflegenden die staatlichen Maßnahmen nicht benötigen. Dem wollte das DZA auf den Grund gehen. Es stellt sich laut Dr. Ulrike Ehrlich, einer der Autorinnen der Studie, die Frage, ob tatsächlich keine Unterstützung gewünscht sei oder ob die Maßnahmen die tatsächlichen Bedürfnisse der Pflegenden zu wenig berücksichtigen würden. Möglicherweise würden pflegende Angehörige Arbeitszeitanpassungen nicht im Rahmen des Pflegezeitgesetzes oder des Familienpflegezeitgesetzes vornehmen, sondern z. B. durch innerbetriebliche Aushandlungen. „Als nicht nötig werden die Maßnahmen dann vielleicht deshalb eingeschätzt, weil die finanziellen Vorteile gegenüber anderen Regelungen gering sind“, so Ehrlich, „denn das Darlehen im Rahmen dieser Gesetze gleicht den Verdienstausfall nur zur Hälfte aus und muss nach der Freistellung zurückgezahlt werden.“

Dass die pflegenden Erwerbstätigen Bedarf an passenden Lösungen haben, ist nicht bloß eine Mutmaßung. Die bereits erwähnte Studie der Uniklinik Erlangen nennt die drei häufigsten Wünsche der Erwerbstätigen unter den pflegenden Angehörigen:

  • Entgegenkommen der Arbeitgeber bei Fehltagen (27,5 % der Befragten)

  • Flexibilisierung bei der Gestaltung der Arbeitszeit (17,4 %)

  • Wunsch, die Arbeitsstunden zu reduzieren (13,6 %)

Die pflegenden Angehörigen haben also Bedürfnisse und klare Anliegen. Nur scheinen die Maßnahmen des Gesetzgebers an entscheidenden Stellen an den Wünschen vorbeizugehen. Und dort, wo es dann doch passt, ist es die Bürokratie, die einem einen Strich durch die Rechnung macht.

Denn konkret gefragt: Wer von jenen, die berufstätig sind und „nebenher“ Angehörige pflegt, findet bei all dem Aufwand noch die Zeit, die verschiedenen Maßnahmen, die Staat oder Pflegekasse anbieten, zu studieren, zu überprüfen und zu beantragen? Der oft gehörte Wunsch, Steuern, Vergünstigungen, Entlastungen und dergleichen zu entbürokratisieren, trifft auch auf die pflegende Angehörige zu. Mit Blick auf die dramatische Entwicklung der Pflegesituation in Deutschland darf die geforderte Vereinfachung der Entlastungen nicht auf die lange Bank geschoben werden.


Mehr Infos zu dem Deutschen Alterssurvey

 

Gebündelte Infos für pflegende Angehörige

 

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