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Haben Sie einen Pflegegrad beantragt, sind aber mit dem Bescheid nicht zufrieden, können Sie dagegen Widerspruch einlegen. Es empfiehlt sich aber, dabei ein paar formale Regeln einzuhalten. Auch sollten Sie genau schauen, aus welchen Gründen Ihr Einspruch gerechtfertigt ist. DMRZ.de hat alle Fakten zum Thema Widerspruch für Sie zusammengetragen.
Nach der Begutachtung eines Pflegebedürftigen durch einen Gutachter des MDK oder des Medizinischen Dienstes von Medicproof ist er schließlich da: der Bescheid der Pflegeversicherung. Doch was, wenn Sie mit dem Ergebnis des Bescheids nicht zufrieden sind? Es gibt mehrere Gründe, warum ein Widerspruch gegen den Bescheid angebracht ist.
Sie oder ein Angehöriger wurde erstmals auf Pflegebedürftigkeit geprüft – aber die Pflegekasse ermittelt, dass gar kein Anspruch auf einen Pflegegrad besteht? Selbst Pflegegrad 1, der bei weitem nicht die Leistungen höherer Pflegegrade bietet, lohnt sich schon. Immerhin gilt der Pflegegrad 1 schon bei einer „geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Oft sind es nur wenige Punkte des Gutachten-Bewertung, die für Pflegegrad 1 fehlen. In diesem Fall ist ein Widerspruch gegen den Bescheid empfehlenswert.
Es besteht Pflegebedürftigkeit und diese wird auch bescheinigt – aber der Pflegegrad ist nicht wie erwartet? Sollten Sie mit dem ermittelten Pflegegrad nicht einverstanden sein, können Sie nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einlegen. Vor allem dann, wenn bei der Begutachtung nur ein einzelner Punkt fehlt, um einen nächsthöheren Pflegegrad zu erhalten, ist ein Widerspruch sinnvoll.
Ein Begutachtungsbesuch durch einen Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse oder Medicproof (letzteres bei Privatversicherten) kann auch zu einer Rückstufung des Pflegegrads führen. Das ist gerechtfertigt, falls die Pflegebedürftigkeit im Laufe der letzten Zeit stark zurückgegangen ist. Aber Sie sehen den Erfolg nicht so gravierend wie Ihre Pflegekasse? Widersprechen Sie dem Bescheid! Insbesondere dann, wenn Sie nicht nur rückgestuft, sondern ihre Pflegebedürftigkeit komplett aberkannt werden sollte, ist ein Widerspruch empfehlenswert.
Stellen Sie keinen Widerspruch, wenn dieser absolut unbegründet ist. Doch gerade dann, wenn nur ein oder zwei Punkte der Bewertung das Zünglein an der Waage darstellen, ist ein Widerspruch verständlich. Wichtig ist aber, dass Sie Ihren Widerspruch auch begründen können. Im Folgenden stellen wir Ihnen ein paar Tipps vor, worauf Sie achten sollten, um eine mögliche Fehlbewertung zu entdecken.
Sie sollten selber überprüfen, ob ein vergebener Pflegegrad gerechtfertigt ist oder nicht. Beispielsweise gibt es kostenlose Smartphone-Apps, mit denen Sie den Pflegegrad ermitteln können (z. B. den „apenio Pflegegradrechner“ für Android). Besser fragen Sie den Pflegedienst Ihres Vertrauens: Die Experten können genau ermitteln, ob nach ihrer Einschätzung Pflegebedürftigkeit besteht und – falls ja – zu welchem Grad. Hier hilft beispielsweise der praktische Pflegegrad-Rechner, den DMRZ.de für Leistungserbringer in der Pflege anbietet.
Zum besseren Verständnis: Der Pflegegrad gibt den Zustand der Pflegebedürftigkeit einer Person an und vermittelt, wie stark eine Krankheit oder eine Behinderung ist. Denn nicht jeder Pflegebedürftige benötigt das gleiche Maß an Pflege; der Pflegebedarf fällt bei jedem unterschiedlich hoch aus. Wie hoch die Pflegebedürftigkeit ist, entscheiden die Pflegekassen in Zusammenarbeit mit den Gutachtern vom MDK bzw. dem Medizinischen Dienst von Medicproof. Die Regeln zum Ermitteln des Pflegegrads sind fest definiert. Nach dem sogenannten Neuen Begutachtungsassessment (NBA) wird anhand sechs Schwerpunkte, Module genannt, die Pflegebedürftigkeit ermittelt.
Hier untersuchen die Gutachter, wie selbstständig sich der Betroffene bewegen und seine Körperhaltung ändern kann.
Gewichtung: 10 %
In diesem Modul wird kontrolliert, wie gut sich der Betroffene räumlich und zeitlich orientieren kann. Ist er/sie in der Lage, selbstständig Entscheidungen zu treffen und kann er/sie seine bzw. ihre Bedürfnisse ausreichend mitteilen?
Gewichtung: 7,5 %
Es wird überprüft, ob der Betroffene regelmäßig psychische Probleme aufweist und wie oft dafür fachliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss.
Gewichtung: 7,5 %
Im bedeutesten Bewertungsmodul wird ermittelt, wie selbstständig ein Betoffener sich selber waschen und pflegen kann.
Gewichtung: 40 %
Gibt es krankheits- oder therapiebedingte Anforderungen und Belastungen? Wie geht der Betroffene damit selber um, und ist er/sie in der Lage, diese selber zu lösen? Kann beispielsweise ein Verband selbstständig gewechselt werden?
Gewichtung: 20 %
Im letzten Modul wird überprüft, wie gut der/die Betroffene den Tagesablauf selbstständig planen kann. Ist die Person in der Lage, Kontakte zu pflegen?
Gewichtung: 15 %
Die Gutachter ermitteln schließlich die Gesamtpunktzahl der Bewertung. Nach § 15 SGB XI (elftes Sozialgesetzbuch) werden die fünf zur Verfügung stehenden Pflegegrade wie folgt definiert:
Gesamtpunkte beim Begutachtungsinstrument | Pflegegrad |
---|---|
unter 12,5 Punkten | keine Pflegebedürftigkeit |
ab 12,5 Punkte | Pflegegrad 1 |
ab 27 Punkte | Pflegegrad 2 |
ab 47,5 Punkte | Pflegegrad 3 |
ab 70 Punkte | Pflegegrad 4 |
ab 90 Punkte | Pflegegrad 5 |
Hier finden Sie mehr Details zum Thema Pflegegrade.
Wie schon genannt, muss ein Widerspruch an Bescheid begründet sein. Schauen Sie genau, wo eventuell etwas falsch gelaufen ist und aus welchen Gründen eine neue Begutachtung notwendig ist. Hier sehen Sie, worauf Sie achten sollten.
Schon das Nichteinhalten von formalen Anforderungen des Bescheids rechtfertig ein Widerspruch.
Das Ergebnis muss begründet sein. Idealerweise liegt eine das Gutachten in Kopie anbei.
Die Maximaldauer der Bearbeitungszeit (i. d. R. 25 Werktagen) wurde überschritten
Der Absender muss genannt werden
Gibt es keine Originalunterschrift, ist Hinweis darüber notwendig, dass es sich um einen maschinell erstellten Massenbescheid handelt.
Rechtsgrundlage und Rechtsbehelfsbelehrung müssen genannt werden
Rechnen Sie selber nochmal nach, ob der genannte Pflegegrad korrekt ist. Vielleicht gab es einen Rechenfehler.
Die genannte Gesamtpunktzahl stimmt, aber es wurde ein falscher Pflegegrad genannt.
An einer Stelle wurde der Grad der Selbstständigkeit falsch berechnet oder falsch gewichtet.
Die sechs Module des Bewertungsinstrument wurden falsch (und zu Ihren Ungunsten) gewichtet.
Schauen Sie sich nicht nur den Bericht, sondern auch das mitgesendete Gutachten genau an.
Stimmen die genannten Sachverhalte?
Hat der Gutachter einen bestimmten Hilfsbedarf übersehen/vergessen?
Hat der Gutachter mitgegebene Arztberichte oder Medikamentenpläne nicht berücksichtigt?
Ggf. ist alles „korrekt“ wiedergegeben, aber Sie erkennen, dass das Urteil nicht passend ist – z. B. weil Sie am Tag des Begutachten ungewöhnlich mobil und fit waren. Auch aus solchen Gründen ist ein Widerspruch gerechtfertigt.
Schon in wenigen Wochen kann viel passieren. Möglicherweise hat sich der Zustand der pflegenden Person stark verschlechtert. Oder aber neue Dokumente – wie Arztbriefe oder Krankenhausberichte – untermauern, dass das Ergebnis der Begutachtung nicht mehr gerechtfertigt ist.
Gegebenenfalls ist nicht jeder der hier genannten Punkte ausschlaggebend genug, um das Urteil der Pflegekasse erfolgreich anzufechten. Aber jedes Detail kann in der Summe viel bewirken.
Wir empfehlen Ihnen, dass Sie Ihren Widerspruch nicht alleine erstellen. Pflegefachkräfte oder Pflegeberater (z. B. von einem Pflegestützpunkt) sollten hierbei zu Rate gezogen werden. Ebenso sind auch Tipps von Menschen praktisch, die so ein Widerspruch schon einmal angegangen sind.
Ganz wichtig: Reagieren Sie schnell! Die Frist für den Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegeversicherung beträgt nur 4 Wochen. Auf Nummer sicher gehen Sie, wenn Sie sich am angegebenen Datum auf dem Bescheid orientieren. Sollte im Bescheid übrigens ein Hinweis darauf fehlen, dass Sie Widerspruch einlegen können, beträgt die Frist sogar ein ganzes Jahr.
Es empfiehlt sich, aus Zeitgründen zunächst einen formalen, unbegründeten Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. Die Begründung des Widerspruchs können Sie dann später nachsenden, wenn Sie sich damit entsprechend Zeit gelassen haben.
Beachten Sie, dass Sie keinen Widerspruch gegen das schriftliche Gutachten des Medizinischen Dienstes einlegen können. Dieses diente der Pflegeversicherung lediglich als Grundlage – aber widersprechen können Sie nur gegen den Bescheid und das Urteil der Pflegeversicherung. (Übrigens: Falls Sie noch kein schriftliches Gutachten erhalten haben, können Sie es mit dem ersten, unbegründeten Widerspruch (siehe oben) anfordern.
Ihr Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Außerdem muss es der Versicherte persönlich verfasst haben. Andere Personen, die für den Versicherten den Widerspruch schreiben dürfen sind Bevollmächtige, gesetzlich bestellte Betreuer oder die verantwortliche Pflegefachkraft.
Es empfiehlt sich, den Widerspruch der Pflegekasse per Einschreiben (mit Rückschein) oder per Fax (dessen Sendebericht Sie behalten) zuzusenden. Auch können Sie den Widerspruch persönlich in einer Filiale Ihrer Krankenstelle abgeben, wenn Sie sich die Abgabe quittieren lassen.
Falls noch nicht mitgeschickt, sollten Sie im nächsten Schritt die Begründung Ihres Widerspruchs erstellen und einsenden. Beachten Sie alle oben genannten Empfehlungen zum Verfassen und Versenden.
Die Pflegeversicherung hat nach dem Widerspruch bis zu drei Monate Zeit, zu reagieren. Sollte diese Frist überschritten werden, haben Sie Anrecht, zu klagen.
Die Pflegekasse prüft, ob es beim Bescheid irgendwelche formalen Fehler gab oder ob etwas falsch berechnet wurde. Je nachdem, welche Fehler aufgetreten sind, könnte die Pflegekasse den Bescheid direkt korrigieren und Ihnen – sofern berechtigt – ein neues Urteil zur Pflegebedürftigkeit zusenden.
War der Bescheid aber formal korrekt, besteht eher die Chance, eine Wiederholungsbegutachtung zu bekommen. Voraussetzung ist, dass die Begründung des Widerrufs plausibel ist.
Plant die Pflegekasse auf Grundlage Ihres Widerspruchs eine Wiederholungsbegutachtung durchzuführen, empfiehlt es sich, entsprechend auf den Termin vorzubereiten. Vor allem heißt das, dass Sie alle neuen Dokumente, die sich seit dem ersten Begutachtungstermin ergeben haben, sammeln und alles, was Ihren Widerspruch begründet für den Termin entsprechend parat legen. Auch lohnt es sich, ein Pflegetagebuch zu führen bzw. ein neues Pflegetagebuch zu starten: Dokumentieren Sie den Pflegealltag des Pflegebedürftigen (wahrheitsgemäß). Erhalten Sie Unterstützung durch Pflegefachkräfte, sollten Sie diese bitten, bei dem Termin dabei zu sein.
Was, wenn auch eine Wiederholungsbegutachtung nicht zum gewünschten Ergebnis führt? Sind Sie sich sicher, dass das Urteil der Pflegeversicherung nicht gerechtfertigt sind, besteht natürlich die Möglichkeit, gegen den Bericht zu klagen. Hierzu reichen Sie eine Klage beim Sozialgericht ein. Spätestens hier sollten Sie aber ein unabhängiges Gutachten durch einen Pflegesachverständigen einholen. Auch ist es ratsam, einen Anwalt einzuschalten. Beachten Sie aber, dass Sie in der Regel die Kosten für den Anwalt selber tragen müssen.