Gehälter in der Pflege
Pflege

Was ich in der Pflege verdiene (9) Was sich ändert und noch ändern muss

Wir geben Dir einen aktuellen Stand zur Tarifpflicht, zum Pflegemindestlohn und zu den Forderungen der Verbände.

In der Pflege herrscht ein Ungleichgewicht. Wie wir bereits in unserer Beitragsserie beschrieben haben, arbeiten in Deutschland rund 1,41 Millionen Menschen in der Pflege (Stand 2019), davon etwa zwei Drittel in Pflegeheimen oder in ambulanten Pflegediensten. Aber obwohl diese Pflegekräfte die große Masse ausmachen, zählen sie in der Pflegebranche zu den Geringverdienern.

Niedrige Gehälter – trotz Pflegemindestlohn

Besonders erschreckend ist im Bereich Pflege die Bezahlung der Hilfskräfte – trotz des Pflegemindestlohns, der Dumping eigentlich unterbinden soll. 2019 beispielsweise verdiente jede fünfte Altenpflegehilfskraft (Vollzeit) in Pflegheimen 1.813 Euro, in Altenheimen 1.810 Euro und in ambulanten Diensten sogar nur 1.654 Euro. Und das, obwohl der Pflegemindestlohn derzeit bei 1.914 Euro (Westdeutschland) und 1.827 Euro (Ostdeutschland) lag. Obwohl die Behörden streng gegen Verstöße beim Mindestlohn vorgehen, werden diese nicht selten unterschritten. Immerhin ist die Pflege nicht die einzige Branche mit Mindestlohnverstößen – im Fokus der Behörden sind auch die Fleischwirtschaft, die Branche der Gebäudereinigung, das Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe und vor allem das Baugewerbe. „Mindestlohnbetrug ist nach wie vor an der Tagesordnung“, sagte beispielsweise der Chef der IG BAU, Robert Feiger, im Oktober 2021.

Fraglich ist, ob eine im Februar angekündigte Erhöhung des Pflegemindestlohns Abhilfe schaffen kann. Immerhin gibt es seit 2020 einen Pflegemindestlohn, der je nach beruflicher Erfahrung unterschiedlich ausfällt. Bis Ende 2023 soll der Pflegemindestlohn auf 14,15 Euro pro Stunde (ungelernt) bis zu 18,25 Euro pro Stunde (ausgebildet) steigen.

Mehr zum Pflegemindestlohn

Pflegemindestlohn immer noch zu wenig?

Für manche wird das Problem der niedrigen Löhne in der Pflege auch mit dem Pflegemindestlohn nicht gelöst. International schneidet Deutschland nicht gerade positiv ab. Das zeigt auch die Niedriglohnschwelle nach der Berechnung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Dieser Schwellenwert beträgt Zweidrittel des Bruttomedians eines Landes. 2019 betrug dieser in Deutschland bei einer Vollzeitstelle 2.267 Euro pro Monat. Nach diesen Berechnungen wäre der Pflegemindestlohn also per Definition „Niedriglohn“. Zudem hat das Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule und der Ruhr-Universität Bochum ermittelt, dass rund drei von fünf Hilfskräften in der Altenpflege (58 %) unterhalb der OECD-Niedriglohnschwelle verdienen (Quelle).

Tarifpflicht oder Tariftreue

Eine Lösung, um Niedriglohn in der Pflege zu stoppen, sind Tarife – insbesondere dann, wenn diese in allen Bereichen verpflichtend sind. Einen solchen Weg haben ver.di sowie die Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) versucht: Im Februar 2021 haben beide einen Tarifvertrag für die Altenpflege abgeschlossen, der bundesweit für alle Pflegekräfte gelten sollte. Dazu war aber per Gesetz eine Zweidrittel-Mehrheit (gemessen an der Anzahl der Beschäftigten) unter den Arbeitgeber:innen notwendig. Es gab einen Aufschrei, als Caritas dem Tarifvertrag nicht zustimmte und somit der Traum vom bundesweiten Pflege-Tariflohn kippte.

Die Caritas begründete ihre Entscheidung wie folgt: „In der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas gab es große Bedenken gegen den Tarifvertrag. Dieser schreibt schlechtere Arbeitsbedingungen fest, als sie die Caritas mit ihrem Tarifwerk, den AVR, gewährleistet. Teile der Arbeitsrechtlichen Kommission hatten die Befürchtung, dass sich die Kostenträger (im Wesentlichen die Pflegekassen und die Kommunen) künftig am Tarifvertrag Altenpflege orientieren und die Mehrkosten der Einrichtungen nicht mehr refinanzieren, die höhere Löhne zahlen. Außerdem vermisste diese eine betriebliche Altersvorsorge, passgenaue Arbeitszeitmodelle oder Überstundenzuschläge.“ Die Gründe der Caritas scheinen also gewissermaßen berechtigt. Doch aus dem Blickwinkel jener, die bei kleineren Privatbetrieben zu niedrigen Löhnen arbeiten, wäre eine solche Tarifpflicht ein Gewinn gewesen.

Der andere Plan, der zum Thema Tarif weit bessere Früchte trägt, ist die sogenannte „Tariftreue-Regelung“. Diese wurde 2021 im Rahmen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) umgesetzt und betrifft Arbeitnehmer:innen in Pflegeeinrichtugnen (worunter per Gesetz auch ambulante Pflegedienste gehören). Denn ab September 2022 werden nur noch Pflegeeinrichtungen als solche von den Pflege- und Krankenkassen zugelassen, wenn Mitarbeiter:innen nach Tarif oder zumindest so viel wie die Durchschnittslöhne in den jeweiligen Regionen bezahlt werden. Es herrscht also nicht perse eine Tarifpflicht, jedoch die Pflicht, im gleichen Umfang zu zahlen. Ein echter Fortschritt im Kampf gegen Dumpinglöhne. Denn laut Caritas würden in etwa 70 Prozent der Pflegeanbieter bisher keinen Tarifvertrag anbieten.

4.000 Euro Mindesteinstiegsgehalt für Pflegefachkräfte gefordert

Es ist noch viel zu tun, um die Gehälter in der Pflege langfristig zu verbessern. Voraussetzung dafür ist, dass alle Beteiligten in der Pflege sich aktiv für bessere Bedingungen in der Pflege einsetzen, sich organisieren und ihre Bedingungen einfordern. Mal eben wie bei einem Bahnstreik für ein paar Tage die Arbeit pausieren, funktioniert bei einem verantwortungsvollen und systemrelevanten Beruf wie den in der Pflege nicht so leicht. „Ich glaube, wenn wir eine Schicht nicht zur Arbeit gehen würden, dann würden mindestens Tausende sterben“, mutmaßt ein hierzu ver.di-Mitglied in einer TV-Sendung zum Thema.

Es müssen andere Wege her, um der Wut Ausdruck zu verleihen. Beispielsweise forderten mehrere Pflege-Organisationen im Mai 2012 in einem offenen Brief an den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein Mindesteinstiegsgehalt für Pflegefachpersonen. 4.000 Euro soll eine Pflegefachkraft mindestens verdienen. „Die Pandemie zeigt uns allen schonungslos, wie es um die Pflege in Deutschland bestellt ist“, heißt es in dem Brief, „wenn Sie jetzt nicht handeln, werden wir morgen in Deutschland keine angemessene pflegerische Versorgung mehr sichern können.“

Rückruf-Service Rückrufe erfolgen in der Regel Mo.-Fr.: 8.30-17.00 Uhr
Interessenten-Hotline 0211 6355-9087 Mo.-Fr.: 8.30-17.00 Uhr
Interessiert? Kontaktieren Sie uns!