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Im letzten Blog-Artikel haben wir den bisherigen Stand der Blankoverordnung für die Heilmittel in Deutschland vorgestellt. Heute fassen wir zusammen, welche Vorteile die Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung nach § 125a SGB V haben wird. Aber auch, warum manche diese so heftig kritisieren.
Was bringt die Blankoverordnung für Heilmittelerbringer:innen?
Die Blankoverordnung nach § 125a SGB V soll die Versorgung mit Heilmitteln auf der einen Seite vereinfachen und auf der anderen effektiver gestalten.
Konkret könnte das z. B. bei der Flexibilität der Behandlungsform sinnvoll sein. Ein Beispiel aus der Ergotherapie: „Je nach Erkrankung und Situation eines Erkrankten kann beispielsweise die ersten zwei Wochen eine motorisch-funktionelle Behandlung nötig und sinnvoll sein“, erklärt Bettina Simon, Vorstandsmitglied beim Deutsche Verband Ergotherapie (DVE). „Stehen danach jedoch neuropsychologische Aspekte im Vordergrund – etwa, weil kognitive Defizite auftreten oder die Krankheitsverarbeitung hinterherhinkt – könnten Ergotherapeut:innen mit einer Blankoverordnung flexibel reagieren.“
Ebenso kann eine Blankoverordnung auch hilfreich sein, um die Therapiefrequenz zu variieren. Beispielsweise könnte nach einer Operation oder bei Beginn einer akuten Erkrankung eine häufigere Therapie passend sein. Und mit der Zeit – z. B. dann, wenn der:die Patient:in die Übungen bereits sehr gut eigenständig zuhause ausführen kann – kann die Frequenz schrittweise erhöht werden. Mit Blick auf die bisherige Form der Versorgung sagt Bettina Simon: „Jeder Mensch hat seinen ganz eigenen Krankheits- und Gesundungsverlauf, was in einem derart starren Verordnungskorsett nicht berücksichtigt ist.“ Aus diesem Grund war der DVE schon seit langem Befürworter der Blankoverordnung.
Auf den Punkt: Die Vorteile der Blankoverordnung
Bürokratie abbauen und Zeit sparen
Flexiblere und dadurch verbesserte Versorgung für die Patient:innen
Mehr Freiheiten in der Behandlungsgestaltung für Therapeut:innen
Problemlose Anpassungen der Behandlungsform oder der Therapiefrequenz
Entlastungen der Ärzt:innen, da die Verordnung offener und einfacher erfolgen kann
Therapeut:innen müssen bei Änderungen keine mühselige Rücksprachen mit der:dem Ärzt:in vornehmen – und müssen bei Anpassungen nicht mehr „betteln“ gehen
Hoffnung der Krankenkassen, durch die effektivere und vereinfachte Verordnungsstruktur Kosten reduzieren zu können
Trotzdem: Die Blankoverordnung ist schwer in der Kritik
Nicht alle begrüßen die Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung so positiv wie beispielsweise der DVE. Eine gewisse Skepsis war bereits 2019 in einem Gespräch mit Marcus Troidl vom VDB-Physiotherapieverband, das wir von DMRZ.de 2019 führten, zu spüren. „Die Blankoverordnung sehen wir erst einmal positiv“, sagte Troidl damals, machte aber keinen Hehl daraus, dass die wirtschaftlichen Verantwortung, die die Blankoverordnung mit sich bringt, ein „möglicher Knackpunkt“ ist.
Auf den Punkt: Die Nachteile der Blankoverordnung
Im Folgenden listen wir einmal ein paar Kritikpunkte zu dem bisherigen Kenntnisstand (!) der Blankoverordnung auf.
Mehr Verantwortung für Therapeut:innen, ohne aber die Verantwortungshoheit zu haben – und ohne für dieses „Mehr“ an Verantwortung auch entsprechend vergütet zu werden
Erhöhter Dokumentationsaufwand für die Heilmittelerbringer:innen – und die derzeitige Ungewissheit, ob dieser Mehraufwand honoriert wird
Die Befürchtung der Heilmittelerbringer:innen, nach wie vor nicht „auf Augenhöhe“ mit den Ärzt:innen arbeiten zu können – aber dennoch mehr Arbeit aufgedrückt zu bekommen
Kritik über das geplante Ampelsystem (siehe den letzten Blogartikel) und die „Drohung“ der Krankenkassen, bei zu vielen Behandlungen mit Kürzungen rechnen zu müssen – was Ärzt:innen in dieser Strenge womöglich nicht erdulden müssen
Die Angst, dass die Krankenkassen versuchen, mit der Blankoverordnung den oft geforderten Direktzugang für Heilmittel zu ersetzen
Blankoverordnung versus Direktzugang?
Was hat es mit dem „Direktzugang“ auf sich? Hierbei handelt es sich um den Plan, dass die Patient:innen „direkt“ zu der:dem Heilmittelerbringer:in gehen können. Ein Umweg über die Arztpraxis, um sich eine Heilmittelverordnung ausstellen zu lassen, wäre damit unnötig. „Es könnten Wartezeiten verkürzt, Behandlungswege beschleunigt und Arztzeiten eingespart werden“, erklärte Dagmar Karrasch, Präsidentin des Deutschen Bundesverbands für Logopädie e. V. (dbl), bereits 2019 im DMRZ.de-Interview. „Auch im Angesicht des demografischen Wandels ist ein Versäumnis, uns nicht auf die Einbindung in die direkte Versorgung vorzubereiten. Und zudem macht die Direktversorgung auch einen Beruf attraktiver. Da ich anwenden und leisten darf, was ich gelernt habe.“
Die Blankoverordnung hingegen sei „kein Fortschritt“ und die wirtschaftliche Verantwortung gehöre laut Karrasch dorthin, wo auch die fachliche Verantwortung und vor allem die Expertise liegen würden. Bei den Heilmittelerbringer:innen! Aus diesem Grund lehnen die meisten Logopädieverbände die Blankoverordnung für ihre Berufsgruppe schlichtweg ab.
Andererseits fordert der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK), dass die Direktversorgung und die Blankoverordnung getrennt voneinander betrachtet werden sollen. „Die Blankoverordnung darf dabei nicht als eine einfache und schnellere Vorstufe für den Direktzugang in der Physiotherapie gesehen werden“, so der IFK im November 2023. Dennoch stellt sich die Frage: Dient die Blankoverordnung für die gesetzlichen Krankenversicherungen nicht als erster Vorstoß, Verantwortung an die Heilmittelerbringer:innen abzugeben? Eine erste „Mutprobe“ in Richtung eines neues, modernen Gesundheitssystems?
Die Zukunft der Heilmittel in Deutschland
Wie genau die Blankoverordnung für die Ergotherapie ausschauen wird, zeigt sich in den kommenden Tagen und Wochen. Und inwiefern die Entscheidungen die anderen Heilmittelbereiche sowie den Werdegang der Direktversorgung beeinflussen, ist derzeit auch noch offen. Die Verhandlungen zur Ergo-Blankoverordnung war mit vielen Auf und Abs geprägt – und der Bundesverband für Ergotherapeut:innen (BED) macht daraus keinen Hehl, mit den Ergebnissen nicht zufrieden zu sein. Laut des BED sähe das Resultat anders aus, wären die Verhandlungen offener ausgetragen worden, so dass mehr Heilmittelerbringer:innen involviert gewesen wären. Mehr Transparenz, fordert der Verband. Und wünscht dies auch den Kolleg:innen der anderen Heilmittelbereiche. Wir bleiben gespannt, wohin die Heilmittel steuern werden.
Allgemeiner Hinweis: Unsere Blogartikel dienen lediglich zur Information und bieten einen Überblick über das Thema. Trotz sorgfältiger Recherche und Prüfung können wir keine Garantie auf Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen und Daten übernehmen. Konkrete Informationen findest Du bei den genannten Verbänden.