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Dagmar Karrasch (dbl): „Unser Anspruch bleibt die Einführung des Direktzugangs“

2023 und 2024 gab es einige Reibereien zwischen den Berufsfachverbänden für Logopädie und dem GKV-Spitzenverband. Wir sprachen zu der neuen Vergütungsvereinbarung mit Dagmar Karrasch, Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl). Außerdem fragten wir nach: Was müsste ein neuer Versorgungsvertrag enthalten? Und wird es wirklich keine Blankoverordnung für die Logopädie geben?

Teil 1: Neue Vergütungsvereinbarung und neuer Versorgungsvertrag für die Logopädie

 

Können Sie kurz zusammenfassen, was es mit der Kündigung des Versorgungsvertrags und der Vergütungsvereinbarung für Logopäden auf sich hatte?

Dagmar Karrasch: Um bessere Rahmenbedingungen für unsere Berufsgruppe vereinbaren zu können, hat der dbl gemeinsam mit anderen Verbänden gegenüber dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) die fristgerechte Kündigung des Versorgungsvertrages zum 31. Dezember 2023 ausgesprochen. Wir haben eine zeitnahe Aufnahme von Verhandlungen über einen neuen Vertrag gefordert. Die Kündigung war notwendig geworden, da trotz intensiver Gespräche mit dem GKV-SV in vielen Punkten keine Einigkeit im Hinblick auf die Vielzahl der unseres Erachtens unberechtigten Absetzungen durch die Krankenkassen erzielt werden konnte. Auch Themen wie Online-Fortbildungen oder nachträgliche Korrekturmöglichkeiten gehören auf den Prüfstand und müssen weiterentwickelt werden.

Doch der GKV-SV lehnte eine Neuverhandlung des Vertrages mit Hinweis auf die fehlende Kündigungserklärung des dba, dem Deutschen Bundesverband der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen, ab.

Gleiches galt zunächst auch für die Vergütungsvereinbarung, die vom dbl und anderen Verbänden zum 30. Juni 2024 gekündigt wurde. Der dba schloss sich dieser Kündigung jedoch noch an. Wie sicherlich vielen bekannt ist, sind die im August aufgenommenen Vergütungsverhandlungen direkt im ersten Termin am Verhandlungstisch vonseiten des GKV-SV für gescheitert erklärt worden. Am Ende konnte nur noch ein Schiedsverfahren helfen.

In der ganzen Debatte ging es unter anderem auch darum, ob der dba (Deutscher Bundesverband der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen) zu den Verbänden dazu gehört, die zu den Verträgen und Vereinbarungen mitverhandeln oder nicht. Was hat es damit auf sich? Ist es den Leistungserbringerinnen und -erbringern am Ende nicht egal, wer genau am Verhandlungstisch sitzt – Hauptsache die vereinbarten Verträge und Vergütungen sind vielversprechend?

Dagmar Karrasch: Seit der 2019 erfolgten Gesetzesänderung wird in jedem Heilmittelbereich nur noch ein einziger, bundesweit geltender Vertrag geschlossen. Dadurch sollte den beteiligten Verbänden umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten auf Bundesebene eingeräumt werden. Und das wirkt sich wiederum unmittelbar auf die Tätigkeit jeder Therapeutin und jedes Therapeuten aus. Somit ist es auch nur folgerichtig, dass diese vom Gesetzgeber für „maßgeblich“ erklärten Verbände, die die Verträge auf Bundesebene für die ambulante Versorgung aushandeln, geregelte Anforderungen erfüllen. Es ist keinesfalls unwichtig, wer für die große Gruppe der in der Logopädie Tätigen verhandelt. Es sollten schon diejenigen sein, die z. B. aufgrund ihrer Mitgliederanzahl über ein starkes Mandat verfügen. Andernfalls würde es bedeuten, dass Vertreterinnen und Vertreter einer zahlenmäßig kleinen Gruppe über die beruflichen Rahmenbedingungen einer sehr großen Gruppe mitentscheiden oder wichtige Entscheidungen blockieren können.

Der Gesetzgeber hatte hier nicht ausreichend klar geregelt, welche Regeln in Bezug auf die Maßgeblichkeit zusätzlich zur Mitgliederanzahl gelten. Das kann so nicht gewollt sein. Diese Klärung haben wir eingefordert.

Zum Thema Vergütungsvereinbarung fand am 12. November 2024 ja das bereits erwähnte Schiedsverfahren statt. Wie ist es ausgegangen? Wie ist Ihre Meinung zu dem Ergebnis?

Dagmar Karrasch: Nachdem es nicht möglich war, mit dem GKV-SV einen Vergleich zu erzielen, hat die Schiedsstelle dann nach zähen Verhandlungen entschieden, dass ab dem 1. Januar 2025 eine Preissteigerung um 5,51 Prozent linear auf alle Positionen in Kraft tritt – mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2025. Mit diesem Ergebnis sind wir selbstverständlich nicht zufrieden. Damit liegt das Ergebnis deutlich hinter dem, was wir gefordert haben. Es ist jedoch ein weiterer, wichtiger Schritt und wir arbeiten bereits jetzt an den nächsten Schritten, um eine adäquate Vergütung zu erreichen.

Offen ist ja auch noch ein neuer Versorgungsvertrag. Was müsste dieser beinhalten, damit Sie glücklich mit dem Ergebnis sind?

Dagmar Karrasch: Ein neuer Versorgungsvertrag sollte unter anderem:

  • zeitgemäße Fortbildungsregelungen beinhalten. Besonders sichtbar wird das bei der doppelten Benachteiligung von Online-Fortbildungen in der Logopädie – das ist aus der Zeit gefallen und inhaltlich nicht mehr begründbar.

  • zu einer deutlichen Verringerung des bürokratischen Aufwandes in den Praxen führen: Durchgehend und unkompliziert nachträgliche Korrekturen fehlerhafter Verordnungen garantieren, damit die Leistungserbringerinnen und -erbringer nicht immer wieder aufgrund unbedeutender Formfehler um ihren Lohn gebracht und für Versäumnisse in den Arztpraxen haftbar gemacht werden.

  • an den fortschreitenden Digitalisierungsprozess angepasst sein. Auch in der Logopädie werden DiGAs und weitere digitale therapeutische und diagnostische Unterstützungsmöglichkeiten verwendet, deren Aufwand sich noch nicht ausreichend in der Leistungsbeschreibung und damit auch nicht in der Vergütung wiederfindet.

Und natürlich sollte ein neuer Vertrag auch besser dem aktuellen Versorgungsbedarf nachkommen: Die notwendigen Leistungen der Beratung von Angehörigen und der interdisziplinären Zusammenarbeit werden ebenso kaum in der Leistungsbeschreibung und damit in der Vergütung abgebildet.

Momentan (Stand Dezember 2024) tut sich ja viel im Land. Wird das Ampel-Aus Auswirkungen auf die Umsetzung des neuen Versorgungsvertrags haben?

Dagmar Karrasch: Der Versorgungsvertrag ist Verhandlungsgegenstand der Selbstverwaltung, hierbei hält sich die Politik komplett heraus. Insofern sollte das Ampel-Aus auch keinerlei Auswirkungen auf den Fortgang haben. Unser Verhandlungspartner ist in diesem Fall nur der GKV-SV.

Teil 2: Kommt die Blankoverordnung für die Logopädie?

 

Kommen wir zum Thema Blankoverordnung: Der dbl hatte sich bisher immer kritisch dazu geäußert. Andere – wie z. B. Logo Deutschland – sehen die Blankoverordnung als ersten Schritt in Richtung Direktversorgung. Wie ist die Meinung des dbl aktuell?

Dagmar Karrasch: Hier bleiben wir bei unserer Aussage. Die Blankoverordnung bedeutet für uns keinen nennenswerten Fortschritt. Sie bringt weder den Patientinnen und Patienten noch den Logopädinnen und Logopäden irgendwelche signifikante Verbesserungen. Wir sehen keinen Nutzen darin, über Jahre hinweg ein bereits heute veraltetes Versorgungsmodell für die Logopädie zu gestalten und bevorzugen es, sich bereits heute den passenderen Modellen zuzuwenden.

Schauen wir einmal auf die Ergebnisse zur Blankoverordnung in den Bereichen Ergotherapie und Physiotherapie: Gibt es etwas, was Ihre Kolleginnen und Kollegen der Ergo- und Physioverbände in Ihren Augen hätten anders machen sollen?

Dagmar Karrasch: Die anderen Heilmittelbereiche haben sicherlich gute Gründe für ihr eigenes Vorgehen und ihre Beurteilung der Vorteile einer Blankoverordnung für ihre Profession. Hier werden wir uns kein Urteil anmaßen, unser Fokus liegt einzig und allein auf dem Bereich der Logopädie/Sprachtherapie.

Was müsste in den Vereinbarungen zu einer Logopädie-Blankoverordnung passieren, damit Sie „Ja“ zur Blankoverordnung sagen würden?

Dagmar Karrasch: Vor 20 Jahren hätten wir uns möglicherweise darauf eingelassen. Heute ist die Zeit und auch die Versorgung mit Logopädie eine andere.

Aber im Ernst: Da sich unsere Position hierzu nicht geändert hat, bleibt unser Anspruch weiterhin die Einführung des Direktzugangs. Alle Beteiligten können durch den Direktzugang profitieren. Der Effekt wäre unserer Meinung nach eine zielgerichtetere und niedrigschwelligere Versorgung und auch eine Entlastung der Ärztinnen und Ärzte. Und wir würden außerdem eine Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes Logopädie erreichen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein nicht zu vernachlässigendes Argument.

Finden denn trotz allem Gespräche zur Blankoverordnung statt? Zwischen den Verbänden, aber auch seitens der GKV und des Gesetzgebers?

Dagmar Karrasch: Hierzu finden keine weiteren Gespräche statt. Unsere Positionen dazu sind klar benannt und bekannt. Wir arbeiten auf allen Ebenen weiter daran, die Notwendigkeit des Direktzugangs zu verdeutlichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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