Ausbildung im Heilmittelbereich
Heilmittel

Neues zur Ausbildung im Heilmittelbereich (2) Kommt die Teilakademisierung?

Neu ist ein Gesetzesentwurf zur Physio-Ausbildung. Was das Physiotherapieberufe-Reformgesetz (PhyThBRefG) bringen wird – auch für die anderen Heilmittelberufe.

Im letzten Blogartikel auf DMRZ.de haben wir die neuesten Empfehlungen des Wissenschaftsrats vorgestellt. Darauf folgte seitens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ein erster Entwurf für ein Physiotherapieberufe-Reformgesetz (PhyThBRefG, auch Gesetz zur Reform der Berufe in der Physiotherapie). Dieser Entwurf wurde vom Gesetzgeber bisher noch nicht veröffentlicht, aber er kursiert bereits seit Februar 2024 in Verbandskreisen und unter den Krankenkassen. Erste Berichte lassen durchblicken, was das Bundesgesundheitsministerium vorhat – und was dies auch für die anderen Heilmittelberufe (wie Logopädie und Ergotherapie) bedeutet.

Das neue Physiotherapieberufe-Reformgesetz – mit Tendenz zur Teilakademisierung

Im Ganzen klingt es so, dass bei der Ausbildung der Physiotherapeut:innen die Teilakademisierung angestrebt wird. Eine Vollakademisierung käme in der Physiotherapie nach „eingehender Prüfung nicht in Betracht“ – so zitiert es das Ärzteblatt.

Das heißt: Die bisher modellhaft erprobten Therapiestudiengänge werden dauerhaft etabliert, während die klassische berufsfachschulische Ausbildung nach wie vor erhalten bleibt. Akademisch und nicht-akademisch parallel, verschiedene Wege zum Beruf – so wie es seit einiger Zeit auch in der Pflege durchgeführt wird.

Die Vorteile der Teilakademisierung

  • Zukünftig kann in jeder Situation der:die Physiotherapeut:in mit der passenden Qualifikation eingesetzt werden.

  • Auch Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen die Physio-Ausbildung ermöglichen – und ggf. so dem Fachkräftemangel (ein wenig) entgegenwirken.

  • Bestehende Ausbildungsressourcen (Hochschulen, Berufsfachschulen, Praxen etc.) nutzen – und erweitern/ergänzen.

  • Dem Wunsch des Wissenschaftsrat nachgehen – und eine Akademisierungsquote in Höhe von 10 bis 20 Prozent weiterhin anstreben. (Genaueres dazu weiter unten.)

  • Hohe Praxisnähe (laut Befürworter der Teilakademisierung angeblich höher als bei einer Vollakademisierung)

Mit der Teilakademisierung soll also die klassische berufsfachschulische Ausbildung erhalten bleiben – diese hätte sich laut des Privatschulverbands „bewährt und ist zur Sicherung zukünftiger Gesundheitsversorgung geeignet“.

Das Physio-Reformgesetz nur eine Übergangslösung bis zur Vollakademisierung?

Für viele Befürworter der Vollakademisierung liest sich der Referentenentwurf des BMG aber ganz anders. Der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) interpretiert den Gesetzesentwurf so: „Wenn der hochschulische und der berufsfachschulische Ausbildungsweg nur zunächst offengehalten werden sollen, so bedeutet dies, dass einer der beiden mittel- oder langfristig aufgegeben werden soll. Da ganz sicher jetzt nicht Studiengänge aufgebaut werden sollen, um sie anschließend wieder aufzugeben, ist klar, dass nach einer Übergangszeit der berufsfachschulische Weg nicht mehr fortgeführt werden soll.“ Das geplante Physioberufegesetz also erst einmal nur eine Übergangslösung? Als Wegbereiter für eine zukünftige Vollakademisierung?

Als Anhaltspunkt wird auch hier die Einschätzung des Wissenschaftsrats herangezogen. In der Tat empfiehlt dieser eine 10- bis 20-prozentige Akademisierungsquote. Aber im Bericht des Wissenschaftsrats heißt es auch, dass diese Zahl „zunächst“ empfohlen wird. Auf Seite 68 seines Berichts empfiehlt der Wissenschaftsrat, „in zehn Jahren auf Basis der erreichten Akademisierungsquoten und des erzielten Aufbaus der wissenschaftlichen Disziplinens differenziert zu prüfen, welche weiteren Entwicklungen erforderlich sind“. Demnach darf die geforderte Akademisierungsquote nicht auf unbestimmte Zeit herangezogen werden.

Trotz neuem Gesetz weiter Gerangel

Solange das Gesetz noch nicht final ist, wird es keine Klarheit geben. Bis dahin (und darüber hinaus) wird es nach wie vor Debatten zwischen den verschiedenen Lagern unter den Ausbildungseinrichtungen und Physiotherapeut:innen geben. „Es ist unklar, ob eine Vollakademisierung erfolgreich sein wird oder nicht“, sagte bereits vor einiger Zeit der Sprecher der Allianz für Gesundheitsschulen (einer Initiative des Verbands Deutscher Privatschulverbände), Bernd Dietrich. „Zum einen sehe ich, dass wir einen massiven Fachkräftemangel haben. Und zum anderen sehe ich, dass unsere Absolventen von den Berufsfachschulen gefragt sind. Wenn ich einen Mangel habe, dann sollte man die Zugangsvoraussetzungen für den Beruf nicht auch noch verschärfen.“ Statt Vollakademisierung also das nutzen, was man hat – und trotzdem die Akademisierung ausbauen, um der vom Wissenschaftsrat geforderten Quote etwas näher zu kommen.

Die Vollakademisierungs-Befürworter bleiben weiterhin standhaft. „Wir rufen den Gesetzgeber (…) auf, an geeigneter Stelle im Gesetzentwurf die Perspektive einer zukünftigen Vollakademisierung deutlich zu machen und die Durchführung von Begleitforschung zu den Auswirkungen des Gesetzes und einer Evaluation des Akademisierungsprozesses in zehn Jahren festzulegen“, fordert der HVG.

Direktversorgung? Bessere Vergütung? Was der Gesetzesentwurf noch bietet

  • Direktversorgung/Direktzugang: Die Direktversorgung ist im neuen Gesetz derzeit nicht vorgesehen. Direktversorgung heißt: Die Patient:innen gehen mit ihren Beschwerden nicht erst zu der:dem Ärzt:in, um sich Physiotherapie verschreiben zu lassen, sondern suchen den:die Therapeut:in direkt auf. Diese entscheiden dann auf Basis ihrer Expertise, ob eine Behandlung notwendig ist – und wenn ja, was genau und in welchem Umfang und Maße. Die Ärzt:innen werden entlastet und die Therapeut:innen in der Verantwortung gestärkt. Immerhin: Im neuen Gesetz kann die hochschulische Ausbildung „perspektivisch auch eine Heilmittelverordnung in der Physiotherapie im Direktzugang (…) ermöglichen“ (zitiert von AOK). Also noch viel „kann“ – aber immerhin ein erster Schritt in Richtung Direktversorgung.

  • Ausbildungsvergütung: Das Gesetz sieht auch eine verpflichtende angemessene Vergütung für die Auszubildenden vor – konkret aber nur für die berufsfachschulischen! Laut AOK sollen die Kosten der Ausbildungsvergütung von derzeit 110 Millionen Euro auf mindestens rund 441 Millionen Euro angehoben werden. Die AOK kritisiert hierbei, dass diese Kosten nicht über Steuermittel finanziert werden würden, sondern über die Versicherten eingebracht werden sollen. Physio Deutschland fordert zudem eine angemessene Vergütung auch für die hochschulische Ausbildung. Auch die Kosten des berufspraktischen Ausbildungsparts sollte bei beiden Ausbildungsformen gleichermaßen gesichert sein.

Das neue Gesetz – als Wegbereiter für Logopädie und Ergotherapie?

Noch ist das neue Gesetz nicht in trockenen Tüchern. Aber denkbar ist schon jetzt, dass das Physiotherapieberufereformgesetz ein Wegbereiter für ähnliche Gesetze in den anderen Heilmittelbereichen sein wird. Der Gesetzesentwurf kündigt die Neuerungen zumindest schon an.

  • Logopädie: 2026 soll ein Logopädie-Berufereformgesetz kommen. Da die Logopäd:innen oft lauter als die meisten anderen Heilmittelbereiche die akademische Ausbildung fordern, ist es denkbar, dass hier andere Wege eingeschlagen werden als bei den Physiotherapeut:innen. Es bleibt abzuwarten. Aktuell jedenfalls (so der Wissenschaftsrat) läge die Akademisierungsquote hier bereits über 20 Prozent.

  • Ergotherapie: 2027 soll ein Berufsreformgesetz für die Ergotherapeut:innen folgen. Da die Ergotherapie in den Modellstudiengängen das Schlusslicht bildet, ist noch unklar, welche Reformen hier geplant werden. Laut der HQGplus-Studie waren 2019 gerade einmal 1,6 Prozent der Ergo-Azubis an den Hochschulen zu finden.

  • Podologie + Diätassistenz: Nachfolgend sollen auch die Ausbildung der Podolog:innen sowie der Diätassistenten/Ernährungsberater:innen reformiert werden.

 

Das neue Gesetz zeigt, wie der Gesetzgeber tickt und wie sich der Heilmittelbereich in Deutschland entwickeln wird. Wie am Ende das Gesetz zur Reform der Berufe in der Physiotherapie (PhyThBRefG) ausschauen wird, bleibt abzuwarten. Wir von DMRZ.de halten Dich auf dem Laufenden.

 

Allgemeiner Hinweis:Unsere Blogartikel dienen lediglich zur Information und bieten einen Überblick über das Thema. Trotz sorgfältiger Recherche und Prüfung können wir keine Garantie auf Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen und Daten übernehmen. Konkrete Informationen findest Du unter den jeweils genannten Quellen.

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