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In unserem letzten Interview mit Markus Gossmann sprachen wir über den neuen Mindestlohn. Dieses Mal haben wir den Vorsitzenden der Fachvereinigung Personennahverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen (FPN) und den Vizepräsidenten des Taxi- und Mietwagenverbands Deutschland zu der Corona-Pandemie befragt.
Herr Gossmann, wie beurteilen Sie nach mehr als zweieinhalb Jahren Corona die aktuelle Lage im Bereich Taxi/Mietwagen?
Markus Gossmann: Viele Unternehmer;innen haben in dieser Zeit ihre Privatreserven in ihre Firmen reinvestiert. Sie haben sämtliche Rücklagen aufgebraucht. Manche, die ich kenne, mussten ihre Lebensversicherungen kündigen, um Mitarbeiter:innen, die nicht fahren konnten, dennoch zu bezahlen. Viele Taxi- und Mietwagenunternehmen gehen auf dem Zahnfleisch und sollen in diesen katastrophalen Zeiten auch noch Coronakredite zurückzahlen. Weil die Berechnungsmethode Gewinne suggeriert, die nicht vorhanden waren.
Eine finanzielle Stütze war doch das Kurzarbeitergeld?
Markus Gossmann: Das gab es aber nur für Fest- und Teilzeitkräfte, also für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Die Minijobber bekamen kein Kurzarbeitergeld. Aber manche Unternehmer:innen wollten und müssen auch diese Mitarbeiter:innen finanziell unter die Arme greifen – um sie an ihren Betrieb zu binden. Man hatte ja die Hoffnung, dass es irgendwann wieder weitergehen würde. Wir haben nur alle die Dauer dieser Pandemie unterschätzt.
Inwiefern muss sich denn das Taxi- und Mietwagengewerbe anlässlich der Corona-Pandemie neu erfinden?
Markus Gossmann: Wieso neu erfinden? Als Beispiel: Supermärkte, die rund um die Uhr geöffnet haben, findet man in Flughäfen oder vereinzelt in Städten – aber fast alle anderen schließen, wenn zu bestimmten Uhrzeiten nichts los ist. Das Gleiche gilt für sämtliche anderen Bereiche, von der Kneipe bis zum Kino oder die Eisdiele. Nicht so im Taxigewerbe! Die meisten Taxibetriebe stehen 24/7 zur Verfügung und sind aufgrund der Betriebspflicht jederzeit abrufbereit. Dies verursacht jedoch Kosten.
Ich gebe zu, dass wir in manchen Regionen Nachholbedarf haben, mitunter im Speziellen, wenn es um Kreditkartenabrechnung geht. Viele Unternehmen bieten diese jedoch schon seit Jahren an. Wieso dies von manchen Kolleg:innen noch nicht angeboten wird, kann ich nicht verstehen. Auch sind viele Unternehmen, sogar im ländlichen Bereich, per App erreichbar. Eine Auftragsbestätigung per SMS bei telefonischer Bestellung ist auch heute keine Seltenheit mehr. Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten alles, um es den Kund:innen so angenehm wie möglich zu machen. Dies alles hat jedoch seinen Preis
Vielleicht muss sich die Branche nicht neu erfinden – aber dennoch sollte man sich doch jetzt schon Gedanken machen, was von Anfang an anders gemacht werden müsste, sollte so eine Pandemie wiederkommen.
Markus Gossmann: Wir müssten in so einem Fall einfach mehr unterstützt werden. Kurzarbeitergeld und Soforthilfe waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Problem ist, dass wir von Hotels, Gaststätten, Tagungen und Kongressen genauso abhängig sind wie von Kinos und Diskotheken – also auch von dem, was Menschen in ihrer Freizeit gerne unternehmen. An den Wochenenden leben wir definitiv vom Bargeschäft. Sollte all das wieder wegfallen, dann müsste man der Branche auf jeden Fall unter die Arme greifen. Noch einmal eine Pandemie unter den gleichen Rahmenbedingungen werden wir nicht überstehen.
Auch wenn unser Wirtschaftsminister dies vielleicht anders sieht, würde ich die Unternehmen mit einem PKW vergleichen. Wenn Sie mit 100 km/h über die Autobahn fahren und auf die Bremse treten, kommen Sie auch nicht direkt zum Stehen. Sie verbrauchen zwar vielleicht nicht mehr viel Kraftstoff, aber es vergeht Zeit, bis der PKW zum Stehen kommt. Und auch im Leerlauf verbraucht der PKW auch Kraftstoff. Und einen Ein- Ausschalter, mit der Sie ein Unternehmen komplett auf Null schalten können, gibt es nicht. Das wäre dann vielleicht die Insolvenz, verbunden mit der Abwicklung. Ich gehe jedoch davon aus, dass Herr Harbeck diese Aussage so nicht mehr tätigen würde.
Ein Lichtblick in der Krise waren doch Krankenfahrten und -transporte.
Markus Gossmann: Ja, manche, die früher nie mit Krankenfahrten zu tun hatten, sind nun aufgesprungen. Denn nicht selten wird mit Krankenbeförderung 30 bis 60 Prozent des gesamten Umsatzes erwirtschaftet. Krankenfahrten haben während der Coronakrise eine große Rolle gespielt.
Wie sehen Sie denn in Zukunft die Rolle des Taxi- und Mietwagengewerbes bei Krankenfahrten/-transporten?
Markus Gossmann: Das hängt natürlich von unseren Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen ab. Es gab sogar schon Gespräche, bei denen die Vertreter der Krankenkassen der Meinung waren, dass die Tarife für die Unternehmen nicht kostendeckend sein müssten. Da fehlen mir die Worte. Grundsätzlich sind diese Fahrten ein wichtiges Standbein für viele Unternehmen, gerade im eher ländlich geprägten Raum. Aber die Tarife müssen auskömmlich sein und die Unternehmen müssen hiermit Gewinn machen können.
Und wie reagieren Sie dann in solchen Momenten?
Markus Gossmann: Es stellt sich dann schon die Frage, inwiefern es noch Sinn macht, auf dieser Grundlage weitere Verhandlungen zu führen. Entscheidend ist hier die Einigkeit innerhalb der Unternehmerschaft. Wenn alle solche Verträge ablehnen und nicht zu Dumpingpreisen fahren, stehen die Chancen sehr gut, dass die Krankenkassen wieder verhandlungsbereit sind. Ich meine, alternativ müssen halt die Krankenkassen selber Personal einstellen, die die Patient:innen fahren. Entscheidend hierbei ist immer der Zusammenhalt und die Organisation innerhalb der Unternehmer:innen in Verbänden.
Es klingt aber so, als wäre der Verschlag, dass Krankenfahrten nicht kostendeckend sein müssten, ein Einzelfall.
Markus Gossmann: Im Optimalfall findet man am Ende doch noch zusammen. Aber es hat auch schon den Fall gegeben, wo dies für einen längeren Zeitraum nicht möglich war. Derzeit steuern wir innerhalb der FPN auch wieder auf einen solchen unerfreulichen Zustand mit einem Krankenkassenverband zu. Aber dies ist dann halt so. Entweder ist der Tarif auskömmlich oder halt nicht. Wenn er nicht auskömmlich ist, können die Unternehmen ihr Geld auch direkt verbrennen, das hätte denselben Effekt. Es gibt auch meines Erachtens keinen logischen Grund, warum der eine Krankenkassenverband bereit ist, die Mindestlohnerhöhung und die gestiegenen Kosten auf den Tarif umzulegen, und der andere den angeschlossenen Unternehmern schriftlich mitteilt, dass der zu verhandelnde Tarif für die Kolleg:innen nicht auskömmlich sein müsste. Bei dieser Argumentation zweifle ich als Verhandlungsführer innerhalb unseres Verbandes am guten Glauben und mir fehlen fast die Worte. Dies ist einfach nur unseriös und einer Krankenkasse, meines Erachtens nicht würdig. Aber ja, solche Tarifverhandlungen sind ein langwieriger Prozess.
Vielen Dank für das Gespräch.
Im vierten und letzten Teil unseres großen DMRZ.de-Interviews mit Markus Gossmann geht es um das Personenbeförderungsgesetz, das seit Sommer 2021 erneuert wurde.