Heilmittel

Verbesserungswürdig: Die Arbeitsbedingungen soloselbstständiger Logopäd:innen

Wie steht es um die Lage soloselbstständiger Logopäd:innen? Eine neue Erhebung zeigt: Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Etwa ein Viertel aller Therapien in der ambulanten Logopädie werden von Soloselbstständigen erbracht. Wie wichtig sie sind, zeigt eine jüngst veröffentlichte Analyse des Logo Deutschland e. V.. Im Januar – inmitten des Bundestagswahlkampfs – machte der Verband mit einer Erhebung, der LOS!-Wirtschaftlichkeitsanalyse, auf die Bedingungen soloselbstständiger Logopäd:innen in Deutschland aufmerksam.

Soloselbstständige Logopäd:innen sind für die wohnortsnahe Versorgung wichtig

43,5 Prozent aller selbstständigen Logopäd:innen führen ihre Praxis soloselbstständig. Damit übertrifft ihre Zahl die von selbstständigen Logopäd:innen mit 1 Mitarbeiter:in (13,5 Prozent), 2 Mitarbeiter:innen (9 Prozent) und 3–6 Angestellten (20,8 Prozent) sehr deutlich.

Wie wichtig soloselbstständige Logopäd:innen für die wohnortsnahe Versorgung insgesamt sind, wird mit einem Blick in Daten zu Einwohner:innen pro Gesundheitsberufen besonders deutlich.

Berufsgruppe Einwohner:innen pro Gesundheitsberufler:in (in Vollzeitäquivalenten)
Logopäd:innen 4.962 Einwohner:innen
Ergotherapeut:innen 4.017 Einwohner:innen
Physiotherapeut:innen 675 Einwohner:innen
Hausärzt:innen (inkl. Kinder- und Jugendmedizin) 1.469 Einwohner:innen
Psychotherapeut:innen (ärztliche und psychologische) 3.375 Einwohner:innen
(Quelle: Statistisches Bundesamt, KBV Bundesarztregister, Eigenberechnung)  

Das zeigt sich vor allem in dünn besiedelten ländlichen Räumen: Hier sind kurze Wege und eine belastungsarme Erreichbarkeit von Praxen für vorerkrankte und alte Patient:innen sowie für Kinder essenziell.

In der Logopädie herrscht ein gravierender Fachkräftemangel

Jede fünfte logopädische Therapie wird laut GKV-Heilmittelbericht 2023 in Hausbesuchen erbracht. Betrachtet man niedrige Kapazitäten und steigende Kosten in Pflegeheimen, muss künftig von einer noch größeren Bedeutung von Hausbesuchen zur Gesamtversorgung ausgegangen werden.

Dem gegenüber steht der massive Fachkräftemangel in der Logopädie: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) beziffert den branchenweiten Fachkräfte-Engpass in ihrer Engpass-Analyse mit 2,5 von insgesamt 3 Punkten (Stand 2023), was zeigt, dass die Logopädie zu den Engpass-Berufen zählt. Im Durchschnitt beträgt die Vakanzzeit bis zur Besetzung einer offenen Stelle 248 Tage. Resultat ist eine breite Versorgungslücke. Den Ernst der Lage legen frühere Mitgliederumfragen von Logo Deutschland (2023, 2024) dar: Sie zeigen, dass

  • 97 Prozent aller befragten Logopäd:innen Betroffenen zeitnah keinen Therapieplatz anbieten konnten.
  • 43 Prozent der Praxisinhaber:innen keine der letzten zehn Anfragen nach einer zeitnahen Therapie positiv beantworten konnten.

Soloselbständige Logopäd:innen arbeiten vergleichsweise unrentabel

Zur Gesamtsituation soloselbstständiger Logopäd:innen kommt ein weiterer gewichtiger Aspekt erschwerend hinzu: Die verhältnismäßig geringe Rentabilität einer soloselbstständig geführten Praxis.

In seiner Analyse stellt der Verband die finanziellen Bedingungen soloselbstständig tätiger Logopäd:innen denen von Vollzeit-Angestellten, die nach TVöD (Bund/Kommune Entgeltgruppe 9b Stufe 6) entlohnt werden, gegenüber. Resultat ist eine gravierende Differenz beider Anstellungsarten:

Um ein vergleichbar hohes jährliches Brutto-Gehalt wie eine:r nach TVöD-angestellten Logopäd:in (ca. 62.000 Euro) zu erzielen, wäre ein jährlicher Soll-Umsatz von 119.787 Euro nötig. Mit 39 Wochenstunden, wie sie TVöD-Angestellte leisten, kämen Soloselbstständige bei einem Wert von 1.108 jährlichen Behandlungseinheiten auf gerade einmal 80.984 Euro brutto. Im Vergleich mit TVöD-angestellten Logopäd:innen entsteht so ein Umsatz-Fehlbetrag von 38.803 Euro.

    Um jenen Fehlbetrag zu kompensieren, müsste ein:e soloselbstständige Logopäd:in eine Mehrarbeit von 665 Stunden jährlich leisten. Oder:

    • regelmäßig deutlich über 50 Wochenstunden arbeiten, oder
    • auf ausreichende private Altersvorsorge verzichten, oder
    • Urlaubstage deutlich reduzieren, oder
    • auf Aspekte wie Digitalisierung, Qualitätssicherung und Supervision verzichten, oder
    • den Renteneintritt oder eine (potenzielle) Arbeitsunfähigkeit hinauszögern.

    (Solo-)Selbstständige Logopäd:innen tragen ein hohes Berufsrisiko

    Zu beachten ist außerdem, dass (Solo-)Selbstständige ein weitaus größeres Berufsrisiko eingehen als angestellte Logopäd:innen. Dazu gehören mitunter Faktoren wie:

    • die vollständige Abhängigkeit des Einkommens von der eigenen Arbeitsfähigkeit
    • ihr privates Haftungsrisiko für geschäftliche und berufliche Schäden.
    • ein Investitionsrisiko
    • hohe administrative, bürokratische und organisatorische Belastungen.
    • Mehrkosten für Risikoversicherungen
    • Mehrkosten für Zinsen und Kontoführungsgebühren
    • die Notwendigkeit der Vorfinanzierung von Praxisausstattung, Investitionen oder Betriebskosten
    • fehlender Mutterschutz vor und nach der Geburt

    Verband fordert eine Verbesserung der Situation (solo-)selbstständiger Logopäd:innen

    Um die wohnortnahe Versorgungvon Patientinnen und Patienten sicherzustellen und Einkommensgerechtigkeit mit Angestelltenverhältnissen zu gewähren, fordert der Logo Deutschland e. V. „deutlich attraktivere finanzielle Rahmenbedingungen“: So gilt es, die Selbstständigkeit von Solo- und Kleinstpraxen zu fördern. Auch fordert der Verband Maßnahmen für eine künftig angemessenere Gleichstellung von Arbeitnehmer:innen und (Solo-)Selbstständigen. Weitere Ambitionen des Vereins sind, dass Bürokratie in der Branche abgebaut und das Logopäd:innen-Berufsgesetz erneuert wird.

    Nun weißt Du, wie es um die strukturelle und wirtschaftliche Situation von (solo-)selbstständig tätigen Logopäd:innen in Deutschland beschaffen ist und was die Branchenvertreter:innen für eine Besserung der Lage fordert. Wir behalten das Thema weiter im Blick und informieren Dich, sobald sich wichtige Neuigkeiten ergeben.

    Hier geht es zur LOS!-Wirtschaftlichkeitsanalyse

     

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