Pflegekosten absetzen – Interview
Pflege

Pflegekosten absetzen (4) Interview mit Sebastian Meurer

Worauf muss man beim Pflegepauschbetrag sowie beim Absetzen von „außergewöhnlichen Belastungen“ noch achten? Wir sprachen mit dem Steuerberater Sebastian Meurer.

In den letzten Artikeln unserer Pflegekosten-Blogserie haben wir ausführlich über die „außergewöhnliche Belastungen“ nach § 33 EStG (Einkommensteuergesetz) als auch über den Pflegepauschbetrag gesprochen. Wir wollten tiefer ins Thema eintauchen – uns sprachen darüber mit Sebastian Meurer, Steuerberater in Köln und Troisdorf.

Herr Meurer, während der Pflegepauschbetrag nur von pflegenden Angehörigen steuerlich geltend gemacht werden darf, können außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG auch von den Pflegebedürftigen selbst abgesetzt werden. Aber wer sollte denn idealerweise was als außergewöhnliche Belastung absetzen?

Sebastian Meurer: Grundsätzlich ist es richtig, dass sowohl die gepflegte als auch die pflegende Person Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung absetzen können. Aber das hängt auch von mehreren Voraussetzungen ab. Es gibt eine „Rangfolge“. Zunächst einmal sollte der:die Pflegebedürftige die Kosten so weit wie möglich selbst tragen. Und diese Kosten kann die Person dann auch als außergewöhnliche Belastung absetzen. Aber sollte es so sein, dass der:die Pflegebedürftige mittellos ist und ein:e Angehörige:r trägt die Kosten, dann kann auch letztere:r die Kosten als außergewöhnliche Belastung in der Steuererklärung geltend machen.

Außerdem hängt hier alles von der sogenannten „zumutbaren Belastung“ ab – und diese ist einkommensabhängig. Das bedeutet, dass die Pflegekosten nur dann eine steuerliche Wirkung entfalten, wenn sie über dieser Grenze liegen.

Pflegt man hingegen eine (nahestehende!) Person bei ihr oder bei sich selbst zu Hause, kann man als pflegende Person alternativ auch den Pflegepauschbetrag in Anspruch nehmen. Dieser soll die verschiedenen Auslagen decken, und zwar unabhängig von einer zumutbaren Belastung.

Beim Pflegepauschbetrag gibt es ja die Vorgabe, dass die:der pflegende Angehörige nicht für diese Leistung „bezahlt“ werden darf. Aber man darf das Pflegegeld des:der Pflegebedürftigen treuhänderisch verwalten. Wie funktioniert so etwas in der Praxis? Muss man dann sämtliche Ausgaben des:der Pflegebedürftigen belegen können?

Sebastian Meurer: Nach H 33b EStG [Anmerkung: den offiziellen Hinweisen zum Pflegepauschbetrag] ist es tatsächlich so, dass „die Pflegeperson die konkrete Verwendung des Pflegegeldes nachweisen und ggf. nachträglich noch eine Vermögenstrennung durchführen“ muss. Daher empfiehlt es sich, das Pflegegeld auf das Konto der pflegebedürftigen Person auszahlen zu lassen und von dort aus alle Aufwendungen zu tätigen. Alternativ wäre eine Nachweisführung auch vereinfacht darzustellen, wenn die Pflegeperson ein separates Konto dafür einrichtet, wenn es auf Namen des:der Pflegenden lauten und treuhänderisch ausgezahlt werden soll.

Verzichtet man auf den Pflegepauschbetrag und setzt die Pflegekosten stattdessen lieber als normale „außergewöhnliche Belastung“ ab, dann darf man aber schon das Pflegegeld „als Bezahlung“ annehmen, oder?

Sebastian Meurer: Setzt man Pflegekosten als „außergewöhnliche Belastung“ ab, dann werden die Kosten um die Einnahmen, also das Pflegegeld, gemindert. Nur das, was darüber hinaus an Pflegekosten anfällt, ist dann berücksichtigungsfähig.

Zurück zum Pflegepauschbetrag: Unter welchen Voraussetzungen kann er geltend gemacht werden, wenn die:der Pflegebedürftige vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht ist?

Sebastian Meurer: Den Pflegepauschbetrag können – je nach Einzelfall, möglicherweise sogar vom Finanzamt überprüft – auch Pflegepersonen erhalten, die die zu pflegende Person nicht im eigenen Haushalt aufnehmen, sondern auch in der „eigenen Wohnung“ pflegen. Die „eigene Wohnung“ kann in diesem Sinne aber auch das Zimmer in einem Pflegeheim sein. Voraussetzung ist, dass der vorherige Haushalt komplett aufgelöst wurde, der:die Pflegebedürftige vollstationär gepflegt wird und der:die Angehörige mit mindestens 10 % an der Pflege im Heim beteiligt ist. Als Nachweis ist eine entsprechende Bestätigung des Pflegeheims empfehlenswert.

Haben Sie noch einen abschließenden Steuertipp für unsere Leser:innen?

Sebastian Meurer: Es empfiehlt sich bei jenen Pflegebedürftigen, die ihre Pflegekosten selber tragen und diese entsprechend in einer Steuererklärung gelten machen, genau auszurechnen, was steuerlich sinnvoller ist. Es sollte eine Vergleichsberechnung zwischen der „außergewöhnlichen Belastung“ und den sogenannten „haushaltsnahe Dienstleistungen“ nach § 35a EStG vorgenommen werden. Oft kommt ein paralleler Ansatz beziehungsweise eine Kombination aus beidem in Frage. Sprechen Sie gerne mit Ihrer Steuerberaterin oder Ihrem Steuerberater über dieses Thema.

Denn erst vor Kurzem hat der Bundesfinanzhof ein interessantes Urteil gefällt (VI R 2/20 vom 12.04.2022). In § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG heißt es, dass auch Pflege- und Betreuungsleistungen als haushaltsnahe Dienstleistungen geltend gemacht werden können. Das Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht zwingend im eigenen Haushalt des:der Steuerpflichtigen (Pflegeperson), sondern auch im Haushalt der:des Pflegebedürftigen ausgeübt werden darf. Weder muss die Pflegeperson Rechnungen erhalten, noch muss für den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden sein. Und ein Pflegegrad der zu pflegenden Person ist auch nicht notwendig.

Aber auch hier gilt: Ein paralleler Ansatz von Pflegepauschbetrag und den Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen schließt sich in aller Regel aus. Hier sollte also vor der Erstellung der Einkommensteuererklärung eine Günstigerprüfung vorgenommen werden. Vor allem für jene Steuerpflichtige, die nicht selbst die Pflege der Angehörigen übernehmen können (und damit keinen Anspruch auf den Pflegepauschbetrag haben), aber für die übersteigenden Kosten aufkommen, ist diese Option interessant.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Im den nächsten Teilen unserer Blogserie gehen wir auf die Fahrtkostenpauschale sowie auf die „haushaltsnahen Dienstleistungen“ ein – und wie sich beides von der Steuer absetzen lässt.

 

Allgemeiner Hinweis: Unsere Ratgebertexte zu den Pflegekosten und zu den Steuern bieten lediglich einen Überblick über das Thema. Für konkrete Hilfestellung – angepasst an Deine Lebenslage – wendest Du Dich bitte an eine:n Steuerberater:in oder an einen Steuerhilfeverein.

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