Interview mit Dagmar Karrasch (dbl)
Allgemein, Heilmittel

Interview mit Dagmar Karrasch (dbl): „Endlich eigenständig Korrekturen oder Änderungen vornehmen“

Wir haben im DMRZ.de-Interview mit Dagmar Karrasch, Präsidentin des dbl e. V., über die ersten Monate der neuen Heilmittel-Richtlinie gesprochen.

Seit Januar 2021 gilt die neue Heilmittel-Richtlinie. Welche Vorteile sie für Heilmittelerbringer:innen gebracht hat und wo weiter Verbesserung möglich ist, sagt uns Dagmar Karrasch, Präsidentin des Deutschen Bundesverbands für Logopädie e. V. (dbl), im ersten Teil des großen DMRZ.de-Interviews.

Frau Karrasch, wie ist Ihre derzeitige Bilanz zur neuen Heilmittel-Richtline?

Dagmar Karrasch: Wir sind über manches wirklich froh, weil hier entbürokratisierende Maßnahmen getroffen wurden. Es ist nun klarer geregelt, was von uns im Rahmen der Prüfpflichten erwartet wird – auch wenn wir natürlich überhaupt nicht damit einverstanden sind, dass wir diese Prüfpflichten haben. Das ist eine an uns delegierte bürokratische Aufgabe, für deren Leistung wir nicht bezahlt werden.

An die neuen Regelungen müssen sich nun auch die verordnenden Ärzt:innen halten. Und damit ist schon eine deutliche Verbesserung und auch Praktikabilität erreicht. Wir haben mehr Möglichkeiten, eigenständig Korrekturen oder Änderungen vorzunehmen.

Gibt es etwas, das sich an der Richtlinie signifikant verschlechtert hat?

Dagmar Karrasch: Ja, zum Beispiel, dass durch die neue Richtlinie für Zahnärzt:innen und Kieferorthopäd:innen weiterhin und trotz unserer Forderung keine Gruppentherapien möglich sind. Sie wären für die Kostenträger in der Umsetzung sogar kostengünstiger als die Einzeltherapie und in der Versorgung häufig sinnvoll oder auch effizienter. Dass das weiterhin nicht möglich ist, betrachten wir als Fehler und dagegen gehen wir auch vor. Bisher leider noch ohne Erfolg.

Was wir ebenfalls kritisieren, ist die fehlende Aufnahme von Intensivtherapien. Wir haben zwar mehr Handlungsspielraum im Rahmen dieser Frequenzempfehlungen, aber Intensivtherapien – zum Beispiel mehrmals am Tag und über die ganze Woche verteilt – sind nun nicht vorgesehen. Und das ist schade, weil wir aus einzelnen Leitlinien, aber auch Studien wissen, dass Intensivtherapien gerade bei bestimmten Störungsbildern wie Stottern oder Aphasie sehr sinnvoll sind und wir bereits im Jahr 2017 bei der Überarbeitung der Heilmittel-Richtlinie die Aufnahme der Intensivtherapien mit Argumenten unterlegt gefordert hatten.

Aber sind die Angaben in der neuen Richtlinie und im neuen Heilmittelkatalog nicht eher als Empfehlung zu sehen? Dann müssten solche Intensivtherapien doch verordnen werden können.

Dagmar Karrasch: Eindeutiger wäre es, die Intensivtherapien direkt in der Heilmittel-Richtlinie aufzuführen Dann wäre den verordnenden Ärzt:innen, den Therapeut:innen und auch den Kostenträger:innen sofort klar, dass so etwas prinzipiell möglich ist. Doch durch die fehlende Erwähnung und durch die deutlich niedrigen Frequenzempfehlungen sieht man dann über die Möglichkeit der Verordnung von Intensivtherapien schnell hinweg. Wir sehen ja, dass die Aufnahme der ärztlich verordneten Doppelbehandlungen durchaus bei Ärzten und einigen Krankenkassen dazu geführt hat, die Intensivtherapie als „erledigt“ zu erachten – der Qualität einer Intensivtherapie wird aber durch eine Zusammenlegung von nur zwei Therapieeinheiten am Tag bei weitem nicht entsprochen. Außerdem besteht die Gefahr, dass man sich beispielsweise mit Blick auf die Richtgrößenvereinbarung eher an die ausformulierten Regelungen halten wird und nicht an das Versorgungsoptimum.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Im zweiten Teil des großen DMRZ.de-Interviews unterhalten wir uns mit Dagmar Karrasch über den neuen bundeseinheitlichen Rahmenvertrag.

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