- Online-Abrechnung
- Software
- Preise
- Für wen?
- Wissen
- Blog
Angesichts des Fachkräftemangels in Pflegeberufen mag es scheinen, als stehe die Idee verkürzter Arbeitszeiten im Widerspruch zu ihm. Dennoch drängt sich mit dem Überangebot freier Stellen – ersichtlich in Daten der Arbeitsagentur – die Frage auf, wie bei gleichbleibenden Löhnen mehr Anreize für Nachwuchs und Quereinsteiger:innen geschaffen werden können. Eine Möglichkeit, Pflegeberufe attraktiver zu machen, sehen branchenweit nicht wenige in flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der 4-Tage-Woche. Wir zeigen Dir, welche Modelle es für die Viertagewoche gibt und stellen Beispiele ihrer Erprobung in der Praxis vor. Auch geben wir einen Einblick in die Studienlage und zeigen, welche möglichen Vor- und Nachteile die 4-Tage-Woche mit sich bringen kann.
Die 4-Tage-Woche in der Pflege: Zwei grundlegende Modelle
Pflegeberufe erfordern von den Beschäftigten ein großes Engagement und Belastbarkeit und auch das Risiko für Stress bis hin zu psychischen Folgen wie Burnout oder Depressionen ist besonders hoch. Verstärkt wird jenes Potenzial etwa durch regelmäßig geleistete Überstunden und zu knapp bemessene Erholungsphasen. Gang und gäbe ist in der Pflege nach wie vor das klassische Drei-Schichten-System aus Früh-, Spät- und Nachtdienst – und das gerade im stationären Bereich. Doch seit einigen Jahren haben sich neue Arbeitszeitmodelle herauskristallisiert, die nun getestet werden. Eines von ihnen ist die 4-Tage-Woche. Und für sie gibt es zwei grundlegende Ansätze.
Eine britische Pilotstudie zur 4-Tage-Woche erzielte positive Ergebnisse
Mehrere Länder – darunter Großbritannien, Island und Spanien – haben die Variante mit reduzierter Wochenstunden-Anzahl bereits getestet, die Studienlage ist entsprechend umfangreich. Dem britischen Institut UK Research and Innovation (UKRI) zufolge wollten 90 Prozent der rund 3.000 Proband:innen die 4-Tage-Woche weiter als Arbeitszeitmodell für ihren Job. Weitere Ergebnisse der britischen Pilotstudie waren:
2024 gab es in Deutschland eine branchenübergreifende Studie zur 4-Tage-Woche
Aber auch hierzulande nehmen die Bemühungen zu, die 4-Tage-Woche als Alternative zum klassischen 40-Stunden-Schichtmodell zu testen. So etwa im Rahmen einer breit angelegten Studie der Uni Münster, in der die reduzierte 4-Tage-Woche erprobt wurde. An ihr nahmen 45 Organisationen aus verschiedenen Branchen teil, darunter die Bereiche Beratung und Dienstleistungen, Fertigung, soziale Dienste, IT und Medien.
Die Forscher:innen führten Interviews und quantitative Befragungen mit Beschäftigten der teilnehmenden Organisationen durch und sammelten physiologische Daten anhand von Smartwatch-Trackern und mittels der Cortisol-Konzentration in Haarproben. Verglichen wurden ihre Daten mit denen von Kontrollgruppen, die die Vier-Tage-Woche nicht eingeführt hatten. Ein Ergebnis: Die per Smartwatch gemessenen täglichen Stressminuten fielen bei der Gruppe der 4-Tage-Woche deutlich geringer aus als bei der Kontrollgruppe:
Hierzu erläuterte Studienleiterin Julia Backmann: „Zwar zeigten sich leichte Steigerungen in den finanziellen Leistungskennzahlen wie Umsatz und Gewinn, diese unterschieden sich jedoch nicht signifikant vom Vorjahr. Dennoch deuten die gleichbleibenden Kennzahlen trotz reduzierter Arbeitszeit auf mögliche Produktivitätsgewinne hin.“ So sei ein Anstieg der Produktivität auf beiden Seiten sichtbar gewesen.
Die 4-Tage-Woche: Auch in der ambulanten Pflege?
Neben dieser branchenübergreifenden Studie wurden aber auch Pilot- und Modellprojekte zur Erprobung der 4-Tage-Woche speziell für den Pflegebereich durchgeführt. Für die ambulante Pflege ist die Studienlage bislang zwar noch deutlich überschaubarer als für den stationären Bereich, doch Versuche gab es schon. So testete sie etwa die DRK-Sozialstation Seelze bei Hannover im Juli 2023 für ein Jahr. Als ein Fazit gab die DRK-Einrichtung an, dass der Radius für Bewerber:innen sich erhöhte und es vereinzelt sogar gezielte Bewerbungen auf Positionen im Rahmen der 4-Tage-Woche gegeben hat. Eine verbesserte Wirtschaftlichkeit sei jedoch nicht feststellbar gewesen, da sich die Personalkosten dem DRK zufolge erhöhten, während die Produktivität nicht unbedingt zunahm.
Im stationären Bereich gab es jedoch schon deutlich mehr Modellerprobungen – beispielsweise am Uniklinikum Bielefeld. Im Juli 2023 startete hier ein Pilotprojekt, im Zuge dessen die Früh-, Spät- und Nachtschicht von ursprünglich acht Stunden auf eine Dauer von neun Stunden inklusive Pause (30 bis 45 Minuten) verlängert wurden – die Beschäftigten kamen so auf eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Daraus ergaben sich folgende Einsatzzeiten für die Belegschaft:
Ein großer Vorteil für das Krankenhaus und seine Patient:innen liegt hierbei darin, dass die Überlappungszeit beim Wechsel zwischen Früh- und Spätdienst dadurch zwei Stunden beträgt. Währenddessen ist dann überdurchschnittlich viel Personal anwesend, sodass mehr gemeinsame Kapazitäten für komplexe Anliegen bestehen. Zusätzlich herrsche mehr Ruhe auf Station und die Patient:innen spürten, dass die Pflegekräfte ausgeglichener und aufmerksamer sind, erklärt der Pflegedienstleiter Henrik van Gellekom.
Getestet wurde die 4-Tage-Woche aber auch schon an einigen anderen Kliniken in Deutschland, wie etwa am Klinikum Siegen oder am Klinikum Westmünsterland. Auch wenn aus dem Westmünsterland noch keine Ergebnisse vorliegen, fällt die Bilanz der Modellerprobung aus Siegen durchaus positiv aus. Vorteile sahen die Teilnehmer:innen etwa darin, dass ihnen mehr Freizeit am Stück und somit längere Erholungszeiten blieben.
Arbeitspsychologin sieht mehr Vorteile als Hürden in der 4-Tage-Woche
Begrüßt wird die weitere Modellerprobung einer 4-Tage-Woche in der Pflege auch von Laura Venz, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg. Im Gespräch mit Tagesschau24 ging sie auf die Vorteile, aber auch auf Hürden des Arbeitszeitmodells ein. Zunächst einmal sieht sie eine 4-Tage-Woche generell als „möglichen Hebel, Pflegeberufe attraktiver zu machen“. Zu dieser Ansicht gelangt sie mitunter, weil das Arbeitsmodell mehr Erholungszeiten sowie Kapazitäten für Familie, Freund:innen und die Eigenorganisation bietet. Außerdem entfallen so häufig Leerlaufzeiten am Arbeitsplatz. Neben der Tatsache, Pflegekräften mehr Verantwortung zuzusprechen, könnten flexible Arbeitszeitmodelle also durchaus die Attraktivität von Pflegeberufen steigern.
Schwierigkeiten einer Etablierung der 4-Tage-Woche sieht Venz etwa im Aspekt der Neuorganisation aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Eventuell müsste das Arbeitspensum durch eine Vier- statt einer Fünftagewoche auf mehrere Schultern verteilt und dadurch mehr Personal eingestellt werden. Vorsichtig sein müssten Arbeitgeber bei Einführung einer 4-Tage-Woche auch betreffend des deutschen Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), demzufolge die tägliche Arbeitszeit aktuell nur von acht auf zehn stunden verlängert werden darf, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Auch wenn es also durchaus Hürden für die Umsetzung der 4-Tage-Woche geben kann, brachten verschiedene Modellerprobungen einige positive Resultate für Beschäftigte hervor. Im Gegensatz zur stationären Pflege ist die Studienlage in der ambulanten Pflege bislang allerdings überschaubar. Doch einzelne Versuche, die 4-Tage-Woche auch in der ambulanten Pflege zu erproben, geben Hoffnung, dass künftig noch einige weitere ambulante Pflegedienste die 4-Tage-Woche ausprobieren.
Nun kennst Du den aktuellen Forschungsstand zur 4-Tage-Woche und weißt, welche Vor- und ggf. Nachteile sie für Arbeitgeber und Beschäftigte haben kann. Wir verfolgen das Thema weiter und informieren dich, sollten sich neue bahnbrechende Schritte hierbei ergeben.
Allgemeiner Hinweis: Unsere Blogartikel dienen lediglich zur Information und bieten einen Überblick über das Thema. Trotz sorgfältiger Recherche und Prüfung können wir keine Garantie auf Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen und Daten übernehmen. Konkrete Informationen findest Du unter den jeweils genannten Quellen.