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Interview zur Gründung eines Pflegedienstes

Wir fragten Bundesgeschäftsführer Dr. Christian Schieder vom Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V. (ABVP) aus Hannover wie man die Gründung eines Pflegedienstes vorbereitet. Herausgekommen ist ein überraschendes Interview über Unternehmerpersönlichkeit und Anforderungsprofil.

Wie bereitet man sich auf die Gründung eines Pflegedienstes vor?

Dr. Christian Schieder: Der Gründer oder die Gründerin muss sich von Anfang an klar machen, dass er bzw. sie fortan ein Unternehmen führen, Arbeitgeber/-in mit allen Rechten und Pflichten sein wird und in höchstem Maße Verantwortung zu übernehmen hat. Da neben der beruflichen Selbständigkeit mit seiner erwarteten (und erhofften) privaten finanziellen Verbesserung eben auch ein erhebliches Risiko für sich und seine Mitarbeiter einhergeht, muss es sich bei der Gründung um eine wohldurchdachte und strategisch vollumfänglich geplante Vorgehensweise handeln.

Ich kann hier nur empfehlen, in allen Stadien der Gründung rechtzeitig die Fachleute des Vertrauens (Banken, Steuerberater, Rechtsanwälte, Berufsverband) anzusprechen. So können strategische Fehler schon im Vorfeld vermieden werden. An dieser Stelle ist der Platz zu kurz, um auf alle Punkte einer Gründung einzugehen. Wichtig aber sind zunächst folgende Aspekte, die bei der Gründung zu beachten sind: Persönliche Voraussetzungen, Rechtsformwahl, Finanzierung, Zulassungsfragen, Unternehmensführung.

Bei den persönlichen Voraussetzungen dürfen Sie sich selbst nicht betrügen. Stellen Sie sich ernsthafte und wichtige Fragen, z. B. wie reagiert mein privates Umfeld, wenn ich Unternehmer/-in bin? Wie schätze ich mein Selbstmanagement, mein Selbstbewusstsein, meine Verantwortung und Belastbarkeit ein? Was ist mein Konzept bzw. meine Geschäftsidee und wir reagiere ich auf die Konkurrenz vor Ort?

Daneben ist natürlich auch die Wahl der Rechtsform entscheidend. Wollen Sie ein Einzelunternehmen führen, in der Sie vollumfänglich den Gewinn erhalten, aber auch mit Ihrem privaten Vermögen haften, oder doch eher in Form einer Haftung begrenzenden Kapitalgesellschaft? Wie ist es mit der Finanzierung? Was ist Ihre Ausgangslage? Kennen Sie alle Fördermöglichkeiten? Was für Voraussetzungen müssen überhaupt gegenüber den Krankenkassen- und Pflegekassenverbänden gegenüber erfüllt werden, um als Dienst seine Zulassung zu erhalten?

Diese Fragen könnten noch weiter fortgeführt werden. Klar dürfte geworden sein, dass die Gründung eines Unternehmens eine globale und strategisch vorausschauende Planung erfordert. Die beste Vorbereitung ist daher, unter Berücksichtigung der individuellen Marktsituation sich eines durchdachten Konzeptes zu bedienen und sich einen Überblick zu verschaffen, welche Hürden und Hilfen es bei der Existenzgründung in der Pflege überhaupt gibt.

Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, denen sich ein Neugründer stellen muss?

Dr. Christian Schieder: Diese Frage ist zunächst abhängig davon, aus welcher Disziplin der Existenzgründer bzw. die Existenzgründerin kommt. Kommt er oder sie aus der Pflege, wird der Aufbau eines Qualitätsmanagements, der produktive Teil der Arbeit und das praktische Know-how weniger Hürden bereiten. Hingegen werden die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Aspekte größte Herausforderungen darstellen. Wie hoch ist der Stundensatz? Was muss ich alles einkalkulieren? Was fordere ich in Vergütungsverhandlungen und was kann ich gegen die in der Regel stärkeren Kassen überhaupt erreichen?

Auch die rechtlichen Anforderungen werden zunächst unüberwindbar scheinen, wenn man nunmehr als Arbeitgeber die verschiedensten Verträge zu schließen hat, nämlich Arbeitsverträge und Pflegeverträge, um nur diesen beiden zu nennen. Rechtsstreitigkeiten mit den Kassen oder Mitarbeitern, mit Konkurrenten oder Geschäftspartnern werden entstehen, Versicherungen müssen geschlossen und abgewickelt werden.

Der Existenzgründer, der aus der Pflege kommt, sieht sich nunmehr als Unternehmer einer Fülle von unternehmerischen Entscheidungen gegenüber. Er wird am Markt als Unternehmer gesehen und auch so behandelt. Hier muss er rechtzeitig reagieren und seine Einrichtung am Markt behaupten können. Diesbezüglich hat es der Betriebswirt, der einen Pflegedienst gründet, einfach, da er hier eine gewisse Routine mitbringt. Er wird dann aber in pflegerischer Hinsicht erheblichen Nachholbedarf haben, den er nur über gutes Personal erreichen kann.

Und hier taucht eine große Herausforderung auf, der sich wohl alle Gründer stellen müssen: Wie bekomme ich gute Pflegefachkräfte? Neben dem Standort und der Vergütung muss der Gründer seinen Dienst so gut aufstellen, dass er für die Pflegekräfte ein attraktiver Arbeitgeber ist.

Welche Gefahren gilt es zu beachten?

Dr. Christian Schieder: Hürden und Risiken wird es immer geben. Mit einem guten Konzept wird man auch schlechtere Zeiten meistern. Was mir aus praktischer Erfahrung aber immer wieder begegnet, ist der Umstand, dass viele Pflegedienstinhaber sich zu wenig behaupten, insbesondere vor den Kranken- und Pflegekassen bzw. auch vor Ihren Kunden. Pflegedienste lassen sich zu viel von den Kassen gefallen und erheben kaum das Wort. Dabei sind die rechtlichen Bedingungen häufig klar und Probleme können z. B. durch eine starke Berufsvertretung wieder aus der Welt geschafft werden.

Auch gegenüber den Kunden habe ich häufig das Gefühl, dass die Dienste zu viele Leistungen erbringen, für die sie keine Vergütung erhalten. Sie sind aber Unternehmer und haben Mitarbeiter zu bezahlen. Wer hier nachlässt, wird bald seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen können. Hier sehe ich das größte Risiko. Aber nochmal: Wer rechtzeitig seinen Berufsverband anspricht, der ihn in arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belangen unterstützt, wird sich dieser Gefahr erwehren können.

Wir danken Dr. Christian Schieder, Bundesgeschäftsführer des Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V. (ABVP) aus Hannover für das Interview.

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