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Bei der Krankenhausreform im Dezember 2022 blieben die Therapieberufe weitestgehend unberücksichtigt. Unklar ist, wie die Zukunft der Finanzierung der Heilberufe – wie z. B. bei den Logopäden – aussieht. Immerhin sind von den 31.000 Logopädinnen und Logopäden in Deutschland rund 12 Prozent in Krankenhäusern oder Rehakliniken beschäftigt (Quelle: dbl / Gesundheitsberichterstattung des Bundes für 2020). Wir sprachen Februar 2023 zu diesem Thema mit Heidemarie Büchner vom Vorstand des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl).
Heidemarie Büchner: Die Finanzierung ist ein sehr komplexes und umfassendes Thema. Das liegt daran, dass das hierfür genutzte Fallpauschalensystem – basierend auf dem DRG-System (Diagnosis Related Group, zu Deutsch „diagnosebezogene Fallgruppen“) – eine Mischkalkulation ist. Das System ist zusammengesetzt aus zwei Parametern: Zum einen handelt es sich um patientenspezifisch erbrachte Leistungen (nach einem Operationen- und Prozedurenschlüssel, kurz OPS) und zum anderen um ein Basis-Budget, welches „allgemeine Krankenhausleistungen“ umfasst. Zu letzterem gibt es jedoch keine geregelte Verwendung.
Je nach Leistung wird das therapeutische Personal über die OPS berechnet, in bestimmten Diagnosefällen werden die Therapeutinnen und Therapeuten über die Komplexleistungspauschalen der Krankenhäuser finanziert. Jedes Krankenhaus muss also individuell schauen, wo und wie logopädische und andere therapeutische Leistungen finanziell abgedeckt sind.
Seit dieses DRG-System 2003 eingeführt wurde, sind Krankenhäuser weitestgehend Wirtschaftsunternehmen. Es kann ihnen gar nicht in erster Linie um die Patientenversorgung gehen. Das führt zu einer Schieflage im klinischen Bereich und zur Verschlechterung der Patientenversorgung.
Wie ist denn die aktuelle Lage von Therapeuten und Therapeutinnen in Krankenhäusern?
Heidemarie Büchner: Die Unzufriedenheit bei den Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern ist groß. Viele Experten haben bereits vor Einführung des DRG-Systems vor seinen Folgen gewarnt – und das Personal in den Krankenhäusern muss diese nun tragen.
So ist es nicht unüblich, dass wir, aufgrund des Personalmangels in der Pflege, immer häufiger Arbeiten aus diesem Bereich übernehmen. Die eigentlichen therapeutischen Inhalte müssen dann zeitlich reduziert werden oder fallen komplett weg.
Wir haben einen wundervollen, vielseitigen Beruf und das Wohl der Patientinnen und Patienten steht für uns an erster Stelle. Wenn man im Arbeitsalltag aber von einem System ausgebremst wird, welches rein wirtschaftliche Interessen verfolgt und bei dem es nicht mehr um eine qualitativ hochwertige und patientenzentrierte Versorgung geht, dann geht dies langfristig auch zu Lasten der Versorgungsqualität. Dieser Punkt ist bereits seit längerem überschritten.
Die Folgen sind nicht nur die naheliegende Flucht aus dem Beruf und ein immer weiter anwachsender Fachkräftemangel, sondern eben auch ein schlechterer Entlass-Status von Patienten. Ich würde mir hier mehr politischen Weitblick wünschen und ein Umdenken in unserem Gesundheitssystem. Hin zu der Frage: „Was benötigen Patientinnen und Patienten wirklich?“
Für den Bereich Pflege wird derzeit ja das Bemessungsverfahren PPR 2.0 getestet, das ab 2024 verpflichtend sein soll. Muss eine vergleichbare Personalbemessung auch für die Heilmittelerbringer in Krankenhäusern gelten?
Heidemarie Büchner: Der dbl und auch andere Heilmittelverbände fordern schon seit längerem eine Personalbemessung, mit Hilfe derer man den tatsächlichen Bedarf an Therapie für einzelne Patienten bzw. Störungsbilder messen kann. Leider ist dies in der Logopädie nicht so einfach wie in der Pflege. Ein Beispiel: Es gibt Schlaganfallpatienten, die kaum Pflegebedarf haben, da sie motorisch wenig betroffen sind. Sie können aber eine massive Sprach- oder Schluckstörung aufweisen. Andersherum kann es sein, dass ein Schlaganfall mit einem hohen Pflegeaufwand, aber keinem logopädischen Bedarf einhergeht. Wir benötigen also ein anderes System der Bemessung, als dies in der Pflege der Fall ist.
Aufgrund der Personalentwicklung der vergangenen Jahre hoffe ich sehr, dass auch für die Therapieberufe ein adäquates Instrument gefunden wird, durch welches der Personalschlüssel ermittelt bzw. ggf. erhöht und die Versorgung verbessert werden kann.
Wie ließe sich überhaupt der genaue Bedarf an Heilmitteln in Krankenhäusern feststellen?
Heidemarie Büchner: Zunächst müssten die Leistungen, die Krankenhäuser für einzelne Patientinnen und Patienten erbringen, für einen fest definierten Zeitraum evaluiert und aufgeschlüsselt werden. Denn der Heilmittelbedarf ist auf den verschiedenen Stationen von Krankenhäusern nie konstant.
Die Erhebung müsste jedoch viel genauer erfolgen als in den aktuellen Fallpauschalen. Es muss ermittelt werden, welche Leistungen von welchen Disziplinen für welche Erkrankungen genau erbracht werden. Somit hätte man einen Status Quo der aktuellen Situation.
Ich möchte jedoch mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die aktuelle Versorgung mit logopädischen Leistungen bei Weitem nicht dem Optimum der Versorgungsqualität entspricht, dass unsere Profession zum Ziel hat.
Außerdem muss zwischen dem verordneten Bedarf und dem tatsächlichen Bedarf unterschieden werden. Alle Leistungen der Heilmittelerbringerinnen und -erbringer sind aktuell verordnete Leistungen – diese werden also nur auf Verordnung von Ärztinnen und Ärzten erbracht. Es gibt aber durchaus Patienten, die durch dieses Raster fallen und undiagnostiziert bzw. unbehandelt entlassen werden.
Welche Budgetregelung für Logopäden und andere Heilmittelerbringer wäre Ihrer Ansicht nach sinnvoll?
Heidemarie Büchner: Toll wäre ein eigenes Budget für die in Kliniken erbrachten therapeutischen Leistungen – ähnlich dem Pflegebudget. Solche Vorschläge haben wir bereits im Zuge der zahlreichen Petitionen gegen die Streichung aus dem Pflegebudget angeführt. Aber die Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gehen in eine andere Richtung. Die derzeit fast ausschließlich mengenbezogene Vergütung soll zugunsten einer bedarfsgerechten und qualitätsorientierten Vorhaltefinanzierung reduziert werden. In diesem Vorschlag ist allerdings nicht definiert, welche Strukturen und welches Personal die Kliniken der verschiedenen Versorgungsstufen (Levels) vorhalten müssen. Hier möchten wir uns aktiv einbringen und den tatsächlichen Bedarf an logopädischer Therapie aufzeigen.
Mit validen Zahlen aus der aktuellen Versorgung und einer Umstrukturierung des Gesundheitssystems, weg von einer recht starken Trennung zwischen Klinik und ambulantem Setting und hin zu einer Verzahnung dieser beiden Systeme, könnte sich ein neues Modell entwickeln lassen. Ich wünsche mir hier einen patientenzentrierten Blick in der Versorgung. Und weniger Profitorientierung, die an vielen Stellen zu einer Überversorgung führt und an anderen einen massiven Mangel hervorruft.
Vielen Dank für dieses Gespräch.